„Katzenauge“ ist einer von Margaret Atwoods berühmtesten Romanen. Die kanadische Autorin schafft hier ein Psychogram einer durchmischten Freundschaft. Dabei stehen auch bei dieser Geschichte Atwoods wieder Frauenrollen im Mittelpunkt, wie sie miteinander umgehen und wie die Gesellschaft sie behandelt.
Die Künstlerin Elaine kommt aufgrund einer Ausstellung ihrer Werke zurück nach Toronto. Die Ausstellung soll eine Retrospektive ihrer künstlerischen Karriere darstellen. Eigentlich ein absoluter Erfolg. Doch Elaine hadert mit dem Besuch. Als sie dann doch vor Ort ist, kommen Erinnerungen hoch. An ihre Kindheit und an ihre Freundschaften.
Elaine wuchs ziemlich wild auf, da ihr Vater als Biologe oft in der Natur forschte und die Familie immer dabeihatte. Es war ein Nomadenleben voller Abenteuer und ohne Zwänge. Doch schließlich wurde die Familie sesshaft. Elaine muss das erste Mal zu Schule gehen, eine Uniform tragen. Nun muss sie sich in die Schulgemeinschaft einfügen und in das soziale Leben dort. Sie findet ihre ersten Freundinnen: die tiefreligiöse Grace versucht aus der wilden Elaine eine gläubige Christin zu machen. Carol beeindruckt mit ihrem reichen Elternhaus. Und schließlich kommt auch Cordelia zu den Mädchen dazu. – Von da an ändert sich die Dynamik der Gruppe drastisch. Aus anfänglichen Neckereien und Besserwissen wird schnell Mobbing, Demütigung und Psycho-Terror.
Katzenauge – Retrospektive einer grausamen Kindheit
Über zahlreiche Rückblenden erfahren wir in „Katzenauge“, wie die Freundschaft zwischen den vier Mädchen sich über die Jahre entwickelt. Im Zentrum steht vor allem die Beziehung zwischen Elaine und Cordelia. Aber auch andere weibliche Figuren spielen eine wichtige Rolle. Wie zum Beispiel Graces hochreligiöse Mutter, die nicht einschreitet, obwohl sie weiß, dass ihre Tochter die kleine Elaine misshandelt.
Kein Wunder, dass „Katzenauge“ so erfolgreich ist. Atwood hat es mit diesem Roman mal wieder geschafft, ein eigentlich simples Thema, die Freundschaft zwischen Kindern, so aufzubereiten, dass es uns unter die Haut kriecht. Wir alle können uns in diese Situation hineinversetzen. Haben unsere eigenen Päckchen aus der Kindheit zu tragen. Blicken auf diese Erinnerungen zurück, die für unsere Entwicklung so prägsam oder auch traumatisierend sind. Wie wird ein glückliches Kind auf einmal zum Mobbing-Opfer? Wie können die anderen sich zu solchen fiesen Freundinnen entwickeln? Welche Dynamik steckt hinter solchen Freundschaften? Und wie wirkt sich das auf unser Erwachsen sein aus?
Ich konnte „Katzenauge“ eigentlich gar nicht mehr aus der Hand legen, weil mich diese Frenemy-Geschichte so angespannt hat. Es ist ein packendes, aber auch betrübendes Buch. Atwood schildert gewohnt schonungslos und unverblümt. Wir blicken durch Elaines Augen in ihre Vergangenheit. Und das ist der Blick auf ein leidendes Kind. Ein Psychogram einer gepeinigten Person. Aber gleichzeitig eine Gesellschaftskritik.
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