In Dimis Leserunde haben wir kürzlich „Lady Orakel“ von Margaret Atwood gelesen. Durch meinen Urlaub kam ich nicht ganz bei der Runde hinterher. Aber nun habe ich aufgeholt und das Buch endlich auch ausgelesen.
„Lady Orakel“ zählt zu den frühen Romanen der kanadischen Autorin. 1976 wurde er das erste Mal veröffentlicht. Das Buch erzählt die Geschichte von Joan Foster, einer jungen Frau, die in der Öffentlichkeit als erfolgreiche Schriftstellerin auftritt, während sie privat mit den Herausforderungen ihrer Vergangenheit und ihrer Identität kämpft.
Joan wächst in schwierigen familiären Verhältnissen auf. Ihr Vater ist während ihrer Kindheit im Krieg in Europa gewesen. Den Ansprüchen der Mutter konnte sie schon als kleines Kind nicht gerecht werden. So flüchtet sich das Kind ins Essen. Dadurch wird der Frust der Mutter aber nur noch größer. Und auch bei anderen Kindern und Erwachsenen wird Joan nur Gespött ausgesetzt.
Zuflucht erhält das Kind nur bei seiner Tante Lou, die immer ein offenes Ohr und liebe Worte hat. Als die Tante bei einem Unfall stirbt, vermacht sie Joan eine Menge Geld. Aber die Bedingung ist, dass sie ordentlich abnimmt. Das Geld ist die Rettung, um aus der häuslichen Situation zu fliehen. Also tut Joan alles, um ihr Gewicht zu reduzieren.
Doch wo führt ihre Flucht sie hin? In die Arme von verschiedenen Männern, deren Ansprüchen sie ebenfalls nicht entsprechen kann. Unter Pseudonym veröffentlicht sie kitschige Liebesromane, die zu Bestsellern werden. Sie nutzt diese Erfolge, um ein anderes Leben zu führen und ihre wahre Identität zu verbergen. Aber die Geister ihrer Vergangenheit verfolgen sie. Joan verfällt immer wieder in die gleichen Verhaltensmuster. Sie kann keine konstanten Beziehungen zu Menschen, geschweige denn zu ihrer eigenen Persönlichkeit aufbauen.
Lady Orakel gibt reichlich Rätsel auf
„Lady Orakel“ erforscht Themen wie Identität, Selbsttäuschung, weibliche Emanzipation und den Preis des Erfolgs. Atwoods meisterhafte Erzählweise bietet eine komplexe Charakterstudie, die den Leser in Joans innere Welt eintauchen lässt, während sie versucht, die Geheimnisse ihrer Vergangenheit und Gegenwart zu bewahren.
Zu Beginn des Lesen war ich sofort gepackt von der Geschichte. Ich mochte den Stil von Atwood mal wieder total gerne. Aber im Laufe der Handlung haben sich doch auch eine Reihe Fragezeichen aufgetan, die sich bis zum Schluss nicht aufgelöst haben. Nicht ganz verwunderlich bei Atwood, die ihre Leser ja öfter mal vor Rätseln stehen lässt. Aber manches war dann doch zu verwirrend für mich. Und scheinbar ging es auch vielen anderen in der Leserunde so.
Für Atwood-Einsteiger würde ich das Buch daher nicht empfehlen. Da ging es zugänglichere Romane von ihr. Aber für Fortgeschrittene, die sich nicht vor komplexen und rätselhaften Handlungssträngen scheuen, hat Lady Orakel durchaus seinen Reiz.