Abdulrazak Gurnah: Die Abtrünnigen

Heimliche Liebschaften, Familienfehden und Verlust der Heimat – diese Themen spiegeln sich immer wider in Adulrazak Gurnahs Romanen wieder. Dies ist nun schon das vierte Buch, das ich von dem Nobelpreisträger lese. Aber mit „Die Abtrünnigen“ konnte mich der meisterhafte Erzähler aus Sansibar nicht so ganz catchen.

Wir werden zu Beginn sofort in die Story hineingezogen: „Die Abtrünnigen“ startet 1899 in Sansibar. Der Händler Hassanali findet auf dem Weg zur Moschee einen schwerverletzten Mann auf der Straße. Erst glaubt er an einen Geist. Doch dann bringt er den Verletzten mit in sein Haus. Es ist ein britischer Kolonist namens Martin Pearce. Hassanalis Schwester Rehana pflegt den Kranken. Es kommt, wie es kommen muss: Die beiden verlieben sich und reißen von zuhause aus, um in wilder Ehe zu Leben. Denn die Traditionen verbieten ihre Verbindung. Rehana wird schwanger. Aber Pearce verlässt sie und geht nach Europa zurück.

Es folgt ein harter Cut in der Handlung. Auf einmal steht das Liebespaar Jamila und Amin Ende der 50ger Jahre im Fokus. Doch auch ihre Liebe steht unter keinem guten Stern. Sie ist wesentlich älter als Amin und war schon einmal verheiratet. Amins Bruder Rashid geht nach Europa zum Studieren. Erst ganz zum Schluss kommt raus, dass Rashid der Erzähler der Geschichte um „Die Abtrünnigen“ ist. Und er lüftet nach und nach das Geheimnis um Jamilas Leben.

Ich mag Adulrazaks Stil eigentlich sehr gerne. Er hat eine sehr unaufgeregte, aber dennoch einfühlsame Schreibe, die einen total fesselt. Aber in „Die Abtrünnigen“ fiel es mir etwas schwer, seiner Erzählung zu folgen. Es gab so viele lose Enden, die erst auf den letzten Seiten zusammengeführt werden. Das machte es schwer, mit den Erlebnissen Schritt zu halten. Plötzliche Zeitsprünge, Szenenwechsel und ausgetauschte Protagonisten kamen außerdem hinzu. Gerade, wenn man sich eingefühlt hatte, musste man sich schon wieder umstellen.

Das hat es etwas schwer gemacht, sich in die Figuren einzufühlen. Die Handlung geht langsam voran, denn vieles ist bloß Beschreibung. Man merkt schon, dass die Hauptthemen wie Liebe und Familie sich durch die Story von „Die Abtrünnigen“ ziehen. Aber die Auflösung kommt sehr spät, sodass man beim Lesen unruhig wird. Und da wir – wie es zum Schluss rauskommt – nur erfahren, was der Erzähler Rashid weiß, sind auch einige Lücken und Unzuverlässigkeiten in der Story. Vieles können wir nur erahnen.

Für mich war es daher nicht das beste Buch von Gurnah. Aber ich bin dennoch großer Fan seiner einfühlsamen Schilderungen von menschlichen Beziehungen und der historischen sowie politischen Zusammenhänge im kolonialen Afrika.

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