Margaret Atwood: Die Zeuginnen

Mit „Die Zeuginnen“ hat Margaret Atwood 2019 endlich die Fortsetzung für ihren Bestseller „Der Report der Magd“ aus dem Jahr 1985 auf den Markt gebracht. Darin schilderte Atwood das Leben in einer dystopischen Version der USA namens Gilead. Dort kontrolliert der Staat seine Brüger rund um die Uhr und vor allem die Rolle der Frau in der Gesellschaft ist fremdbestimmt. Sie besitzen kein Eigentum und sind vielmehr Eigentum der Männer. Ihre einzige Rolle ist Kinder zu gebären. Soweit das Setting aus dem „Report der Magd“.

„Die Zeuginnen“ beginnt etwas 15 Jahre danach. Die Geschichte ist in drei Erzählstränge aufgeteilt und mit einander verwoben, sodass wir uns nach und nach ein Bild aus den unterschiedlichen Perspektiven auf die Welt in und um Gilead werfen können.

Mit den Zeuginnen zurück nach Gilead

Zum einen erleben wir Gilead durch die Auge von Tante Lydia. Sie blickt zurück auf die Gründung des „Staates“, wie sie gefangen genommen und gezwungen wurde, sich den System zu unterwerfen. Wie sie gefoltert wurde und was sie aller ertragen musste, um zu überleben. Inzwischen ist sie zu einer mächtigen Frau geworden. Als oberste Tante hält sie die Fäden in der Hand, ist für die Mädge und die anderen Tanten zuständig und hat sogar einen gewissen Einfluss auf die Kommandanten, die sie erst zu Tante Lydia gemacht haben.

Zeugin Nummer Zwei ist Agnes. Sie wächst in guten Verhältnissen in Gilead auf, denn ihr Vater ist Teil der Führungselite. Erst nach dem Tod ihrer Mutter erfährt sie, dass diese nicht ihre leibliche Mutter ist. Das sie das Kind einer Magd ist – und zwar das der uns gut bekannten Desfred aus „Der Report der Magd“. War Agnes als Kind noch ein artiges Mädchen und hat sich dem System gebeugt, erschüttert der Tod ihrer Ziehmutter und die Entdeckung ihrer wahren Herkunft ihre Welt vollkommen. Sie kann sich nur noch schlecht im System einfügen, stellt zu viele Fragen und will auf keinen Fall einen der (sehr) alten Kommandanten heiraten, um mit ihm Kinder zu zeugen.

Der letzte Erzählstrang berichtet von Daisy. Sie wächst bei Pflegeeltern in Toronto auf. Erst nach dem diese bei einem Anschlag ums Leben kommen, erfährt das Mädchen, dass sie eigentlich in Gilead geboren und von der Widerstandbewegung Mayday nach Kanada geschmuggelt wurde. Für das System in Gilead spielt sie eine Schlüsselrolle, von der Daisy zunächst nichts weiß und auch kaum glauben kann. Doch das Mädchen muss schnell entscheiden und in den Untergrund abtauchen. Denn nach dem Tod der Pflegeeltern sind die Spione aus Gilead auch ihr auf der Spur.

Wird die Fortsetzung dem Hype gerecht?

Der Stil von „Die Zeuginnen“ ist eigentlich sehr nah an dem Report der Magd dran. Wieder sind es Zeugenberichte, durch die wir in die Dystopie eintauchen. Aber im Gegensatz zu Atwoods ersten Buch konnte mich dieses hier nicht ganz so sehr packen. Ich habe es beim Lesen immer wieder weggelegt und war nicht ganz so motiviert mehr zu erfahren. Zwischendurch wirkt es eher wie eine Art Spionageroman.

Vielleicht liegt es daran, dass man den Schock von der krassen Dystopie aus dem ersten Buch nicht mehr ganz so parat hat? Ist man schon etwas abgehärtet oder gar abgestumpft beim Lesen des zweiten Teils? Oder liegt es daran, dass durch die Aufteilung auf drei Personen, die Intensität in der Perspektive fehlte? Und zugegeben, einiges war auch ziemlich vorhersehbar. Vielleicht ist es auch, dass die jugendlichen Problemchen von Agnes und Daisy manchmal zu sehr im Vordergrund standen?

Margaret Atwood sagte, dass sie mit diesem Buch die Spekulationen und zahlreichen Fragen ihrer Fans beantworten wollte. Wobei die meistgestellte frage wohl war, wie so ein totalitäres Regime zusammenbrechen kann aus dem Inneren, wie es im Report der Magd bereits angedeutet wurde. Aber vielleicht wäre es besser gewesen, das Ende von Desfred einfach offen zu lassen.

Für mich reicht „Die Zeuginnen“ einfach nicht an den Vorgänger heran. Ich bereue es nicht, das Buch gelesen zu haben. Aber wirklich bereichert habe ich mich dadurch jetzt nicht gefühlt. Die Geschichte hätte auch einfach bei ihrem damaligen Ende bleiben können. War es nur der Hype um die TV-Serie der Atwood dazu antrieb, eine Fortsetzung zu schreiben? Verständlich, denn auch Autoren müssen finanziell sehen, wo sie bleiben. Aber ich würde eher empfehlen, es bei dem ersten Teil zu belassen und „Die Zeuginnen“ nur im Notfall danach zu lesen.

Facebooktwitterrssinstagram

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert