Amélie Nothomb: Das Buch der Schwestern

Jedes Jahr freue ich mich auf ein neues Buch von Amélie Nothomb! Die belgische Autorin ist absolut schreibwütig und ihre kreativen Geschichten scheinen keinen Abbruch zu nehmen. Ihr neuster Clou ist „Das Buch der Schwestern“ (Übersetzt von Brigitte Große). Darin erzählt Amélie Nothomb die bewegende und tiefgründige Geschichte von Tristane und Laetitia.

Die Eltern der beiden Mädchen, Nora und Florent, sind unsterblich ineinander verliebt. Und zwar so sehr, dass sie für niemanden sonst Platz in ihrer Welt und in ihrem Herzen haben. Außenstehende kündigen früh an, dass sich dies bald ändern wird. Wenn das erste Liebesfeuer verpufft ist. Oder wenn das erste Kind kommt.

Doch weit gefehlt! Auch für ihre erste Tochter Tristane machen sie keine Ausnahme. Sie haben ein Kind, weil es eben dazugehört, wenn man verheiratet ist. Aber dennoch haben die Eltern nur Augen für sich!

„Das Buch der Schwestern“ wühlt seine Leser auf

Tristane wird in eine Welt geboren, in der sie keine Liebe und keine Aufmerksamkeit erhält. Schon als Baby muss sie lernen, dass sie keinen Ärger machen und sich gefälligst einfügen soll. Verunsichert und vernachlässigt, passt sie sich an und versucht, den Erwartungen anderer gerecht zu werden. Erst bei ihrer Tante Bobette erfährt sie zum ersten Mal echte Zuwendung, obwohl auch diese mit ihrem eigenen Leben und ihren vier Kindern beschäftigt und eigentlich überfordert ist.

Alles ändert sich, als ihre jüngere Schwester Laetitia geboren wird. Tristane erfährt zum ersten Mal bedingungslose Liebe und tiefe Verbundenheit. Die beiden Schwestern geben sich gegenseitig das, was ihnen ihre egozentrischen Eltern vorenthalten: Wärme und Geborgenheit. Ihre enge Beziehung wird jedoch auf die Probe gestellt, als Tristane beschließt, ihren eigenen Weg zu gehen.

Amélie Nothomb beschreibt in „Das Buch der Schwestern“ die dynamische und komplexe Beziehung zwischen den Geschwistern mit ihrem charakteristischen sarkastischen und einfühlsamen Stil. Sie zeigt, wie die Vernachlässigung der Eltern tiefe Spuren hinterlassen hat und welche traumatischen Folgen das für ein Kind haben kann. Gleichzeitig porträtiert sie die unglaubliche Stärke und Tiefe der Schwesternliebe, die selbst die schwierigsten Umstände überdauern kann. Parallel dazu beleuchtet sie am Rand aber auch die Beziehung zwischen Nora und ihrer Schwester Bobette, genauso wie das Verhältnis dieser Schwestern zu ihrer Mutter.

„Das Buch der Schwestern“ ist ein aufwühlender Roman, der mich noch lange nachhaltig beschäftigt hat. Zurück bleibt die Frage, wie Liebe und Vernachlässigung die menschliche Psyche formen können. Nothombs Fähigkeit, auf wenigen Seiten intensive und nachhallende Geschichten zu erzählen, kommt auch in diesem Werk voll zur Geltung.

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