Ulla Lenze: Das Wohlbefinden

Der neue Roman „Das Wohlbefinden“ von Bestsellerautorin Ulla Lenze hat mich sofort neugierig gemacht. Nicht nur, weil er in den Beelitzer Heilstätten spielt – einem Ort, der für mich eine ganz besondere Bedeutung hat. Denn seit 2018 verfolge ich beruflich die Wiederbelebung dieses Ortes mit und habe daher eine enge Verbindung zu Beelitz aufgebaut. Aber außerdem hatte ich während meines Studiums in einem Seminar über Spiritismus in der Literatur. Als ich hörte, dass dieser der Roman von Ulla Lenze beides miteinander verknüpft, war klar: Das muss ich lesen.

Die Geschichte spannt sich über drei Zeitebenen und verbindet die Vergangenheit und Gegenwart auf spannende Weise. Im Mittelpunkt steht Vanessa, die während des Lockdowns 2020 unter dem Druck einer Eigenbedarfskündigung verzweifelt eine Wohnung in Berlin und im Umland sucht. Dabei stößt sie auf die vergessene Vergangenheit ihrer Urgroßmutter Johanna- Diese war zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine erfolgreiche, aber heute kaum bekannte Autorin. Diese Entdeckung führt Vanessa zu den Beelitzer Heilstätten, wo ihre Urgroßmutter ein mysteriöses Manuskript hinterlassen hat.

Zu der Zeit ihrer Urgroßmutter lebte in der Heilstätte auch das Medium Anna. Anna, eine Frau aus der Arbeiterschicht, war Patientin des Krankenhauses. Die gutbetuchte Johanna wollte ein Buch über Beelitz schreiben. Bei ihren Recherchen vor Ort lernen sich die beiden ungleichen Frauen kennen und freunden sich an.

Johanna nimmt Anna schließlich bei sich zu Hause auf. Sie erhofft sich, durch „die Gabe“ und Annas Eingebungen ihr neues Buch zu vollenden. Doch schnell scheinen sich die Rollen der beiden zu vertauschen. Der Einfluss von Anna, die nach einem besseren Platz in der Gesellschaft strebt, wird immer größer. Johanna scheint hin und hergerissen zwischen Ergebenheit und Grusel. Bis es zu einem verhängnisvollen Ereignis kommt.

Was Ulla Lenze beeindruckend schafft, ist die Atmosphäre der Beelitzer Heilstätten um 1900 lebendig werden zu lassen. Die Heilstätten erscheinen wie eine eigene kleine Welt, in der moderne Medizin und spirituelle Heilmethoden aufeinanderprallen.

Aber die Rahmenhandlung in der Gegenwart hat mich leider nicht überzeugt. Vanessa blieb für mich blass und unsympathisch. Einige Elemente der Geschichte wirkten zu konstruiert. Besonders der Zufall, dass Vanessas Makler zufällig im Besitz der Manuskripte ihrer Urgroßmutter ist. Das Ende kam dann auch noch ziemlich abrupt und ließ mich etwas unzufrieden zurück.

Ich verstehe, dass Lenze den Bogen zum aktuellen Stand der Heilstätten und ihrer zukünftigen Entwicklung mit einbauen wollte. Aber für mich wirkte das etwas erzwungen. Ich hätte lieber mehr Seiten für die Handlung in der Vergangenheit gehabt, um diese etwas runder zu gestalten.

Für mich war „Das Wohlbefinden“ aber dennoch eine interessante Lektüre. Und nun bin ich gespannt, wie die Jury für den Deutschen Buchpreis das sieht, für den der Roman nominiert wurde.

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