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Toni Morrison: Menschenkind

Menschenkind ist wohl einer der bekanntesten Romane der Nobelpreisträgerin Toni Morrison. Es ist ein Epos über den Sklavenhandeln und wurde von den Juroren der New York Times zum besten amerikanischen Roman der letzten 25 Jahre gewählt. Mit Hilfe von Rückblenden, Erinnerungen und Gesprächen erzählt Morrison darin die tragische Geschichte von der ehemaligen Sklavin Sethe und ihrer Flucht und den (Spät-)Folgen der weißen Unterdrückung.

Wie man bereits im Vorwort erfährt, basiert die Geschichte auf wahren Begebenheiten aus dem Leben von Margaret Garner, die 1856 lieber ihre 2jährige Tochter tötete bevor sie und das Kind zurück in die Sklaverei gebracht werden konnten. Ähnlich ergeht es auch Morrisons fiktionaler Figur Sethe. Nach und nach erfahren wir, dass Sethe erst ihre Kinder von der Farm schmuggelt, auf der sie „angestellt“ waren. Später flüchtet die schwangere Frau selbst – und schafft es mit ihrem festen Willen am Leben festzuhalten bis zu ihren Verwandten. Sie gebiert ihr letztes Kind auf dem Weg, ist davor schon schwer verletzt von den Misshandlungen der Weißen. Als kurz danach die Männer der Farm kommen, um Sethe und die Kinder wieder einzufangen, sieht Sethe nur noch den Tod als Ausweg, um sie und ihre Lieben endgültig aus der Sklaverei zu retten.

Die Handlung setzt 20 Jahre nach der Tat ein. Sethe lebt nur noch mit ihrer Tochter Denver zusammen, die sich niemals traut das Haus zu verlassen. Die beiden sind völlig abgeschlossen von ihrer Umgebung. Niemand will mehr mit ihnen zu tun haben. Einziger Mitbewohner: Ein Geist. Der die beiden heimsucht. Und dann kommt doch noch ein echter Besucher: Paul D, ebenfalls ein Sklave auf der alten Farm, durch den die Erinnerungen in Sethe wieder hochkommen, obwohl sie doch so sehr versucht hat, sie zu verdrängen. Die Geister ihrer Vergangenheit treten aus ihren Schatten hervor und lassen sie das Leid noch einmal neu erleben.

Menschenkind ist kein einfaches Buch. Das Thema geht einem ganz schön an die Nieren: Die Misshandlungen durch die Sklaverei, der Kampf ums Überleben der Mutter auf der Flucht, die starke Liebe, die sie für ihre Kinder spürt – und die sie schließlich bis zu so einem gewaltigen Schritt bringt. Diese starken Emotionen nehmen einen beim Lesen ganz schön mit und kriechen einem unter die Haut. Wie groß muss das Leid sein, dass es einen bis zum Äußersten bringt? Das eine Mutter fähig ist, ihre Kinder dafür zu opfern? Die Vorstellung lieber tot zu sein, als wieder in die Sklaverei zu kommen – das hat mich unheimlich bedrückt beim Lesen. Auch wenn die Erzählung nicht so geschrieben ist, dass die Geschichte aus Sethes Augen direkt erfährt – denn dies nachzuvollziehen ist wohl fast unmöglich. Aber trotzdem hatte ich beim Lesen einen permanenten Kloß im Hals.

Dabei ist der Schreibstil von Morrison nie direkt oder offensiv. Oft sind es nur Andeutungen, Erinnerungsfetzen, kurze Gespräche aus denen wir uns beim Lesen nach und nach ein Gesamtbild schaffen müssen. Gerade am Anfang hat mich das etwas verwirrt und ich habe einige Seiten gebraucht, um in das Buch hereinzukommen. Erst nach und nach entfaltet sich die erschreckende Vergangenheit für uns, die wir – gemeinsam mit Paul D – immer mehr über Sethe erfahren. Und so wie Sethe ihre Vergangenheit aufarbeiten muss, so müssen auch wir immer noch die Vergangenheit der Sklaverei und der Unterdrückung der Schwarzen aufarbeiten. Diese Erinnerungen dürfen nicht weggeschlossen werden. Toni Morrisons Buch ist ein Teil davon, diese Zeit weiter zu verarbeiten und nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

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