Knut Hamsun: Hunger

Mit seinem Debutroman „Hunger“ gelang Knut Hamsun 1898 der Durchbruch! In diesem autobiografisch geprägten Roman schildert Hamsun das Schicksal eines Schriftstellers, der ums Überleben kämpft.

Gleich der erste Satz zieht einen völlig hinein in dieses Buch und setzt den Ton für alles was folgt: „Es war in jener Zeit, als ich in Kristiania umherging und hungerte, in dieser seltsamen Stadt, die keiner verlässt, ehe er von ihr gezeichnet worden ist“

Der namenlose Ich-Erzähler versucht sich mit dem Schreiben ein Einkommen zu verdienen. Hier und da kann er mal einen Artikel an eine Zeitung verkaufen. Aber je länger die Geschichte andauert, desto mehr steigt er sozial ab.

Knut Hamsun schafft einen hungernden Anti-Helden

In seiner Not und in seinem Hunger verheddert der namenlose Anti-Held sich vollkommen in seinen Geschichten. Durch seine zum Teil sehr verkorkste Ehrvorstellung schlittert er immer weiter ins Unglück. So gibt er trotz des großen Hungers noch anderen Bettlern seine wenigen Münzen, da es denen doch viel schlechter geht. Nur um dann wenig später von der Vermieterin vor die Tür gesetzt zu werden.

Als er nachts von der Polizei aufgegriffen wird, spinnt er neue Ausreden zusammen. Er hätte doch nur seinen Schlüssel verloren und würde deshalb nicht nach Hause können. Dadurch verspielt er aber seine Chance, von den Beamten – wie es die anderen Obdachlosen tun – Essensmarken zu erhalten.

Seine Ausreden und sein Verhalten schwanken zwischen Hochmut und Verachtung gegenüber denen, die ihm helfen wollen, Wahnsinn und tiefen Trübsal. Als er doch einmal zu Geld kommt, verschlingt er so viel Essen, dass er es kurz darauf erbrechen muss. Und seine Not bringt ihn sogar so weit, auf seinen Finger zu kauen.

Mit seinem Erstlingswerkt hat Knut Hamsun viele Autoren nach ihm inspiriert, darunter Größen wie Kafka, Hemingway und Thomas Mann. Denn die Form, wie Hamsun seinen Ich-Erzähler sprechen lässt, galt nach Veröffentlichung als etwas nie dagewesenes.

Bewusstseinsstrom und Gedankensprünge

Als Leser ist man den wilden Ideen und Gedankensprüngen des Anti-Helden völlig ausgesetzt. Dieser Bewusstseinsstrom reißt uns völlig mit hinein in diese verquere Welt. Es ist eine emotionale Achterbahnfahrt, bei der man einerseits mit dem Protagonisten mitleidet, seinen Hunger zu spüren bekommt und auf seine Rettung hofft. Andererseits macht dieser Mensch einen mit seinen Gedankensprüngen und seinem Verhalten auch etwas wahnsinnig. Zu gerne würde man ihn des Öfteren schütteln und zur Vernunft bringen, wenn ihm eine helfende Hand gereicht wird.

Dementsprechend zwiegespalten bin ich auch, was ich von diesem Roman halten soll. Denn irgendwie hat mich diese Figur trotz ihres Leides auch aufgeregt. Allerdings zeigt es auch, wie eindrücklich Hamsun diesen täglichen Kampf um etwas Essbares, den damit einhergehende körperliche Verfall und seine Auswirkungen auf die Psyche schildert. Definitiv löst dieses Buch etwas in einem aus. Es geht nicht nur dem Protagonisten an die Substanz und lässt seine Sinne verrücktspielen, sondern auch die von uns Lesern!

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