Einige Monate mussten Murakami-Fans warten, bevor der zweite Band von „Die Ermordung des Commendatore“ endlich in die Buchhandlungen kam. Darin geht die Geschichte um den namenlosen Maler und das mysteriöse Bild über die Ermordung des Commendatore nahtlos weiter. Der Maler ist immer noch damit beschäftigt, ein Portrait der jungen Marie zu malen. Die beiden freunden sich immer mehr an. Das sonst so stille Mädchen öffnet sich dem Maler und dieser wiederum ist immer wieder erstaunt, wie klug Marie ist – und wie sehr sie hinter die Fassaden der Menschen zu schauen weiß.
Das Mädchen merkt sofort, dass etwas mit diesem ominösen Nachbar Menshiki nicht stimmt. Sie weiß genau, dass ihre Tante sich direkt zu ihm hingezogen fühlt. Und die beiden prompt eine Affäre anfangen. Der Maler ist dagegen viel zu sehr damit beschäftigt, Maries Bild zu zeichnen. Aber er vermisst auch dieses kleine Männchen, das ihm in der Gestalt des Commendatore erscheint und immer wieder mysteriöse Botschaften einflüstert. Lange ließ der ungewöhnliche Besucher sich nicht blicken – bis er den Maler auf Umwegen zum Showdown ins Krankenhaus bringt. Dort treffen der junge Maler und wir endlich auf den alten Mann, der das Kunstwerk „Die Ermordnung des Commendatore“ geschaffen hat.
Ich weiß nicht, wie es im Original gehandhabt wurde. Aber ich glaube, dass Dumont sich bzw. Murakami keinen Gefallen getan hat, die Geschichte in zwei Bände zu trennen. Ich glaube, dass sich dadurch bei vielen Lesern eine Erwartungshaltung gebildet hat in diesen Monaten, die der Roman dann gar nicht mehr erfüllen konnte. Mir ging es zumindest so. Nach dem Lesen des ersten Teils war ich so gepackt und gespannt darauf, wie der Meister Murakami diese Handlung weiterführen würde! So viele Fragen hatten sich beim Lesen gebildet – wie eigentlich immer bei Murakami. Man lässt sich fallen in dies halb-realistische, halb-fantastische Welt und lässt sich von dieser umhüllen und nistet sich darin ein. Teilweise fand ich den ersten Band sogar für Murakamis Verhältnisse sehr „gruselig“. Ich saß mit offenem Mund auf der Kante meines Sofas – und dann war Band 1 vorbei.
Und dann das gefühlt ewige Warten auf den zweiten Band. Die Geschichte schließt zwar sofort an. Es gibt keine langen Zusammenfassungen der Handlung vorneweg. Wir sind wieder direkt im Haus des Malers, sind stiller Beobachter der Sitzungen von ihm und Marie. Aber die Anspannung und das aufgeregte Kribbeln im Bauch, das Band 1 hinterlassen hat, ist verschwunden. Ich hatte das Gefühl, dass man zwar sehr schnell in der Story wieder drin war, aber diese Gebanntheit, mit der ich den ersten Teil abgeschlossen hatte, war irgendwie verflogen. Hätte man hier gleich weiterlesen können, wäre das vielleicht anders gewesen. Aber eine Monate anhaltende Anspannung ist nun mal schwer zu halten – und zu erfüllen. Auch wenn es mir leid tut, so etwas über einen meiner absoluten Lieblingsautoren zu schreiben.
Schön fand ich dagegen die Stelle, als der Maler quasi in die Welt der Bilder abtaucht. Ich will hier gar nicht zu viel erzählen, um anderen nicht die Spannung zu nehmen. Aber ich will ja auch nicht nur Jammern über das Buch, sondern auch Positives berichten. Dieser Abschnitt, und wenn ihr ihn lest oder schon gelesen habt, wisst ihr sicher welchen ich meine, hat mir unheimlich gut gefallen. Das war er wieder! Der Murakami, den ich so mag. Der solche phantastischen Welten einfach die reale Welt integriert und der Leser kauft ihm das einfach alles so ab. Weil es einfach so wundervoll geschrieben ist, dass man es gar nicht hinterfragen will. Mir kam es vor, als ob wir fast wie Alice im Wunderland durch eine märchenhafte Metaphernwelt stolpern. Nur dass wir nicht dem weißen Kaninchen folgen, sondern einer Idee folgen. Hier war ich viele Seiten lang wieder seelig und mit Murakami versöhnt.
Was mir tatsächlich – und wie ich es so online mitbekommen haben, scheinbar auch vielen anderen – sehr auf die Nerven ging, war Marie! Gefühlt ab der Hälfte des Romans redete das Mädchen nur noch davon, dass ihr Busen zu klein ist, unbedingt wachsen muss . Irgendwann wäre ich am liebsten – vergleichbar mit dem Maler, der in das Bild wandert – ins Buch gestiegen und hätte Marie gerne gepackt und geschüttelt. Oder gleich angeschrien: Who cares! Das war wirklich lästig. Und auch einfach sehr realitätsfremd. Welches junge Mädchen würde darüber so offen mit einem eigentlich Fremden sprechen?
Alles in allem hat mich das Buch dann etwas befangen hinterlassen. Ich möchte eigentlich nichts schlechtes über Murakami schreiben. Aber würde ich meinen Freunden ein Buch von ihm empfehlen, dann wäre es sicherlich nicht dieses. Ich glaube, dieses ist eher ein Roman für Liebhaber, die die Welt von Haruki Murakami schon zu schätzen wissen und sie komplettieren wollen. Für Einsteiger in diese phantastisch-literarische Welt ist es, meiner Meinung nach, nicht das richtige Buch. Da hat der japanische Hit-Gigant wirklich stärkere Geschichte geschrieben.
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