Was für ein Juwel von einem Buch! Warum die Autorin Gwendolyn Brooks eigentlich so unbekannt? Denn sie schreibt nicht nur großartig, sondern hat auch einiges erreicht: Sie war die erste Schwarze Autorin, die einen Pulitzer Preis erhielt. Und wurde als erste Schwarze Autorin in die American Academy of Art and Letters aufgenommen. Trotzdem ist sie heute nicht wirklich bekannt. Ein Glück, dass der Manesse Verlag ihren einzigen Roman „Maud Martha“ nun das erste Mal auf Deutsch herausgegeben hat!
In „Maud Martha” schildert Brooks die Biografie einer jungen Frau. Wir lernen Maud Martha als kleines Mädchen in den USA der 1920ger Jahre kennen und begleiten sie ins Erwachsenen Dasein. Sie heiratet, wird Mutter und übersteht den Zweiten Weltkrieg.
Eigentlich sollte es, wie für Gwendolyn Brooks üblich, ein Gedichtzyklus werden mit dem Titel „American Family Brown“, der die Alltagsprobleme und -kämpfe einer ganz gewöhnlichen schwarzen Familie schildern sollte. Das wurde jedoch von Brooks’ Verlegern abgelehnt. Als Kompromiss schrieb sie daraus diesen Roman, der aber dennoch unheimlich lyrisch daherkommt.
Jedes der 34 Kapitel ist wie eine kurze Momentaufnahme aus diesem Leben. Dabei bekommen wir in diesen Prosa-Gedichten nicht nur größere Entscheidungen und Erlebnisse mit, wie die Geburt des ersten Kindes oder den Tod der Großmutter. Sondern es werden auch Gedanken und der schwierige Alltag geschildert, wie der Besuch beim Kaufhausweihnachtsmann, der Maud Martha und ihr Kind aufgrund ihrer Hautfarbe ignoriert.
Gwendolyn Brooks kreiert Prosa, die auf der Zunge zergeht
Gwendolyn Brooks zeichnet ein vielschichtiges, reichhaltiges Porträt von Maud Martha. Dabei ist diese Heldin, trotz ihrer schwierigen sozialen Situation als schwarze Frau in einer von Männern geprägten, weißen Welt, nie bitter! Aus jeder Episode versucht sie mit erhobenem Kopf herauszugehen. Sie konzentriert sich auf die positiven Dinge im Leben und zieht ihre Lehren
Zu dieser sensiblen und gleichzeitig starken Heldin hinzu kommt die wunderschöne Sprache, mit der Gwendolyn Brooks schreibt. Alltägliche Gegenstände erscheinen in diesem Buch fast malerisch. Jedes Wort zergeht auf der Zunge, wie süße Zuckerwatte. Eine wundervolle lyrische Erzählung, die mich beim Lesen so fasziniert hat, dass ich das Buch in einem Rutsch durchlesen musste.
Man kann nur hoffen, dass Gwendolyn Brooks mit dieser ersten Übersetzung ihres Buchs endlich die Aufmerksamkeit erhält, die sie verdient. Ich wünschte, es würde um ihren lyrischen Roman so ein Rummel gemacht werden, wie um die neuen Übersetzungen von James Baldwin. Mir bleibt nur zu sagen: Lest dieses Buch!