Esther Freud: Marrakesch

“Marrakesch” ist der Debütroman von Esther Freud und erschien das erste Mal 1992. Er basiert auf den eigenen Erfahrungen der Autorin. Freud ist die Tochter vom Bernardine Coverley und dem Malers Lucian Freud. Gleichzeitig ist ihr Urgroßvater Sigmund Freud, der berühmte Begründer der Psychoanalyse.

In „Marrakesch“ verarbeitet Freud ihre Kindheitserfahrungen. Denn als sie klein war, reiste sie viel mit ihrer Mutter durch die Welt. Heimatlosigkeit und Entwurzelung spielen daher nicht nur in ihrem eigenen Leben eine große Rolle, sondern sind auch in ihren Romanen immer von Bedeutung.

„Alle meine Bücher suchen nach einer Heimat, einem Heim, sowohl physisch wie psychologisch. Da wir als Kinder viel herumgezogen sind und wirklich kein Heim besaßen, nie, beherrschte meine Phantasie stets die Vorstellung, ein eigenes Heim zu besitzen. Das ist mir geblieben. Auch wenn ich jetzt ein Heim besitze, will ich ständig ausziehen. Nur wenn ich intensiv an einem Buch sitze, denke ich nicht darum, umzuziehen.“

Quelle: Interview von Deutschlandfunk mit Esther Freud

In „Marrakesch“ dreht sich die Handlung um die junge Mutter Julia. Sie und ihre beiden Töchter reisen in den 1960er Jahren nach Marrakesch, denn Julia ist desillusioniert von den tristen Konventionen des englischen Lebens. Stattdessen ist sie auf der Suche nach einer alternativen Lebensweise und spirituellen Erfahrungen. In Marrakesch verfolgt sie einen freien und unkonventionellen Lebensstil. Sie trägt bunte Kleidung, lebt in einfachen Verhältnissen und praktiziert Sufismus. Währenddessen versucht Julia, ihren Töchtern die Freiheit zu lassen, die Welt auf eigene Weise zu entdecken.

Während die Mutter auf der Suche nach persönlicher Erfüllung ist, rebellieren die Töchter. Die ältere Bea, versucht, ihr englisches Leben wiederherzustellen, will eine Ausbildung machen und besteht darauf, zur Schule zu gehen. Die jüngere Lucy, aus deren Kindheitserinnerungen die Geschichte erzählt wird, ist fasziniert von der fremden Kultur Marokkos. Aber sie träumt auch von trivialen Dingen wie Kartoffelbrei. Gleichzeitig sehnt sich nach einer Vaterfigur und Halt.

Verarbeitet Esther Freud hier ihre eigenen Kindheitserlebnisse?

Esther Freud schafft einen schönen Spagat zwischen den lebendigen, sinnlichen Beschreibungen von Marokko und den teilweise melancholischen Tönen. Lucy sieht die Dinge manchmal naiv, manchmal mit einer Weisheit, die über ihr Alter hinausgeht. Was mein größter Kritikpunkt an dieser Geschichte ist, da die Schilderungen so nicht ganz rund wirken. Es wirkt eher, als ob Esther Freud hier ihre eigene Beziehung zu ihrer Mutter literarisch aufarbeitet.

Denn so manches Mal möchte man diese Figur gerne schütteln und fragen, wie sie ihre Kinder auf diese Reise mitnehmen konnte. Denn oft fehlt den dreien die Kleidung auf der Haut oder das Essen auf dem Tisch. Und statt selbst für die Kinder zu sorgen, scheinen die Mädchen viel zu oft die Verantwortung zu übernehmen, damit die Familie über die Runden kommt. Da fragt man sich, wie viel von diesen Schilderungen wirklich der Kindheit von Esther Freud entsprechen.

Man fühlt beim Lesen die marokkanische Sonne auf der Haut, riecht die Gewürze auf dem Basar, aber vor allem spürt man die Sehnsüchte von denen die einzelnen Charaktere getrieben sind. Und so hatte ich, auch wenn die Story ein paar Ungereimtheiten hatte, ein tolles Leseerlebnis mit diesem Buch.

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