Banana Yoshimoto gehört zu den Autorinnen, zu denen ich immer wieder zurückkehre. Ihre Bücher sind wie stille Räume, in denen man sich sammeln kann. Amrita ist eines ihrer komplexeren Werke – nicht ganz so leicht zugänglich wie Kitchen oder Tsugumi, aber dafür umso vielschichtiger. Es ist ein Roman über Verlust, Erinnerung und die leisen, fast magischen Übergänge zwischen Leben und Tod.
Die Erzählerin, Sakumi, verliert ihre jüngere Schwester in einem Unfall. Kurz darauf erleidet sie selbst eine Kopfverletzung, die ihr das Gedächtnis raubt. Was folgt, ist eine Art innerer Wiederaufbau: Sakumi tastet sich durch ihre Vergangenheit, ihre Beziehungen, ihre Familie – und entdeckt dabei eine neue Form von Wahrnehmung. Sie beginnt, Dinge zu spüren, die andere nicht sehen. Stimmen, Energien, Vorahnungen. Es ist, als hätte der Tod ihrer Schwester eine Tür geöffnet, durch die sie nun hindurchblickt.
Yoshimoto erzählt das alles in ihrer typischen, klaren Sprache. Nichts wird überdramatisiert, nichts erklärt. Die Figuren sind ruhig, nachdenklich, oft ein wenig verloren – aber nie hoffnungslos. Besonders berührend fand ich die Szenen zwischen Sakumi und ihrem kleinen Bruder, der selbst eine besondere Gabe hat. Ihre Gespräche sind zart, fast schwebend, und doch voller Tiefe.
Was Amrita für mich so besonders macht, ist die Mischung aus Alltag und Übersinnlichem. Yoshimoto schafft es, spirituelle Themen ganz selbstverständlich in ihre Erzählung einzubetten. Es geht um Trauer, um Heilung, um die Frage, wie man weiterlebt, wenn alles anders geworden ist. Und es geht um Liebe – nicht als romantisches Ideal, sondern als Verbindung zwischen Menschen, die sich gegenseitig halten.
Ich habe das Buch langsam gelesen, in kleinen Etappen. Es verlangt Aufmerksamkeit, aber es schenkt auch viel. Amrita ist kein Roman, den man sofort versteht. Aber einer, der bleibt. Wie ein Licht, das nicht grell ist, aber warm
