Im Juni machen sich die Ersten schon auf die Reise in den wohlverdienten Sommerurlaub. Zeit also, um sich Gedanken über die Urlaubslektüre zu machen. Lissabon und Portugal liegen für den Urlaub ja total im Trend. Wie wäre es also mit einem portugiesischen Autor und Literaturnobelpreisträger im Gepäck?
Eckdaten zum Autor:
Der portugisische Autor und Literaturnobelpreisträger José Saramago lebte von 1922 bis 2010. Eigentlich hieß der Schriftsteller José de Sousa. Aber ein Standesbeamte fügte aus eigener Initiative den Beinamen Saramago hinzu. Saramago hieß der Ackerrettich, der den Armen in Portugal damals als Nahrung diente. Erst als Saramgo sieben Jahre alt war und in der Grundschule sich ausweisen musste, bemerkte die Familie den „Beinamen“. Saramago interessierte sich schon früh für Literatur und ging häufig in die Bibliothek und brachte sich selbst den Umgang mit Sprache bei. Mit der Geburt seiner Tochter erschien 1947 seine erste Novelle – danach schrieb er die nächsten 20 Jahre keine Zeile mehr: Er hätte „nichts Lohnendes zu sagen“. Stattdessen arbeitete er als Übersetzer und Literaturkritiker. Erst 1966 folgte ein Gedichtband, dann weitere Romane – aber erst sein fünfter Roman „Hoffnung im Alentejo“ wurde 1980 zum internationalen Bestseller. Mit seinem Buch „Das Evangelium nach Jesus Christus“, in dem er Jesus kritische Fragen an Gott stellen lässt, löste Saramago einen Skandal aus. Daraufhin wurde er sogar von der Liste des Europäischen Kulturpreises gestrichen. Aus Protest zog der Autor mit seiner Frau nach Lanzarote. Einen weiteren Skandal löste er 2007 aus, als er forderte Spanien und Portugal sollten sich zu einer Iberischen Union zusammenfinden. Auch mit seinem Werk „Kain“ (2009) machte er sich keine Freunde. Darin bezeichnet er u.a. die Bibel als Katalog von Grausamkeiten und Gott als ein von Rache erfüllten Wesen. Saramago sagte in einem Interview auf die Aufregung um sein Buch angesprochen:“ Ich stelle nicht Gott in Frage, sondern die Menschheit, die ihn erfunden hat“.
Wichtigste und bekannteste Werke:
- Das Memorial, 1984
- Die Geschichte der Belagerung von Lissabon, 1989
- Das Evangelium nach Jesus Christus, 1991
- Kain, 2009
Inhalt:
Ein kleines Wort – und die Weltgeschichte wird kurzerhand umgeschrieben! Die Hauptfigur von Saramagos Geschichte ist Raimundo Silva, Lektor in einem Verlag, der gerade ein Buch über die Belagerung der Stadt Lissabon durchsieht. Doch beim Lesen kommt er auf eine Idee: was wäre, wenn die Kreuzritter damals nicht zur Hilfe der Bevölkerung gekommen wären? Dann hätten die Mauren die Stadt weiter regiert? Kurzerhand schreibt der Lektor ein „Nicht“ in den Text – und verändert damit ein Stück Weltgeschichte. – Aber seine Tat wird entdeckt. Er wird in die Verlagsleitung gerufen – und verliert fast seinen Job. Wäre da nicht die neue Chefin Dr. Maria Sara, die den Lektor in Schutz nimmt und sogar Potenzial in seiner Geschichtsschreibung sieht. Sie fordert ihn auf, sein eigenes Buch über die Vorfälle zu schreiben, so wie er sie sich vorstellt. Und so entwickelt sich neben der neuen Geschichte um die Stadt Lissabon auch eine zarte Liebesgeschichte zwischen Maria Sara und Raimundo Silva.
Unsere Meinung:
Obwohl die Geschichte vom Inhalt her relativ harmlos erscheinen mag, hat es das Buch ganz schön in sich. Natürlich ist es eine schöne Idee die Liebesgeschichte zwischen Maria Sara und Raimundo Silva mit der Geschichte der Stadt Lissabon zu verweben. Aber das Besondere ist für mich vor allem der literarische Stil von Saramago, der mich oft zum Lachen aber auch zum Verzweifeln gebracht hat. Um euch einen kleinen Eindruck davon zu geben, habe ich einen Teil – ja nur einen Teil – des ersten Satzes einmal ausgeschnitten für euch:
Saramagos Stil ist eigen, er verwendet kaum Punkte, überhaupt kaum Satzzeichen außer dem Komma. Und so muss man sich beim Lesen doch auch ab und an mal zusammen reißen, um nicht mit den Gedanken abzudriften oder sich zu fragen. wer hier eigentlich gerade spricht bzw. mit wem gesprochen wird. Gleichzeitig löst diese Sprache aber auch eine unheimlich Intensität aus, man wird völlig davon in den Bann gezogen, direkt angesprochen, kann sich dem nicht entziehen, wird in diesen Gedankensog hineingezogen – und kann auch viele unheimlich witzige Kommentare finden. Für mich ist dies nicht nur eine bloße Liebesgeschichte oder die Geschichte über die Liebe zu einer Stadt, sondern auch eine Liebeserklärung an die Sprache, die so vielfältig ist, gewaltig ist, kunstvoll ist und so viel auszudrücken vermag – oder eben auch „nicht“.
Zum Abschluss möchte ich euch gerne noch meinen Lieblingssatz aus dem mitgeben:
Es scheint wir stehen im Krieg, ein Belagerungskrieg ist es, jeder belagert den anderen und ist von ihm belagert, wir möchten des anderen Mauern niederreißen und die unseren bewahren, Liebe ist wohl, wenn keine Barrieren mehr da sind, die Liebe setzt der Belagerung ein Ende.
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