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James Baldwin: Giovannis Zimmer

Baldwin is back! Der dtv Verlag hat vor kurzem ja angefangen, die Bücher von James Baldwin neu aufzulegen. Mich hat bisher vor allem Beale Street Blues sehr begeistert! Nun bin ich vor kurzem in einem Antiquariat auf eine alte Ausgabe von Giovannis Zimmer gestoßen und musste gleich zuschlagen.

Paris in den 1960iger Jahren. Der junge Amerikaner David ist aus seinem Heimatland, seiner Familie und den Verantwortungen daheim geflüchtet und lebt ein ausschweifendes Leben in der französischen Hauptstadt. Doch David versteckt sich nicht nur vor seiner Rolle, die er daheim annehmen soll. Vielmehr versucht er sich selbst und seine Sexualität zu verstecken. Schon seit seiner Jugend weiß er, dass er sich eigentlich zu Männern hingezogen fühlt. Dennoch lebt er jetzt mit Hella zusammen und hat ihr einen Heiratsantrag gemacht.

Doch Hella bittet sich Bedenkzeit aus und reist dafür nach Spanien, um Abstand zu haben und in sich zu hören. Währenddessen zieht David mit seinen Freunden durch das Pariser Nachtleben. Eines Abends landen sie in einer Schwulen-Bar und treffen dort auf den Kellner Giovanni. Die beiden sind sofort Feuer und Flamme füreinander. Und David zieht sogar nach kurzer Zeit in Giovannis kleines Zimmer ein, weil ihm die finanziellen Mittel ausgehen. Das die Liebe zwischen den beiden aber zum Scheitern verurteilt ist und Giovanni ein drastisches Ende nimmt, erfahren die Leser gleich zu Beginn des Buches… die Frage ist nur: Wie konnte das alles geschehen?

Nach seinem Erscheinen löste das Buch einen absoluten Skandal aus. Baldwin war ein Afroamerikaner, der über weiße, schwule Männer schrieb. Und das auch noch zu einer Zeit, in der Homosexualität unter Strafe stand!

Dass dies keine einfach Geschichte wird, stellt Baldwin gleich zu Beginn klar. Schnell gibt er dem Leser die Information, dass es für Giovanni kein glückliches Ende geben wird. Aber im Prinzip sind alle Figuren des Romans zum Scheitern verurteilt. Die meisten Charaktere sind auf der Suche nach ihrer eigenen Identität, versuchen sich in der Gesellschaft einzufinden, die sie nicht so akzeptiert, wie sie sind. Sie sind zerrissen zwischen Akzeptanz und Ablehnung, betrügen sich selbst und andere, spielen eine Rolle, verstecken sich, sind aufgewühlt und eigentlich doch nur auf der Suche nach Selbstverwirklichung. Und doch zerbrechen Giovanni und David jeder auf seine Art an ihrem Anderssein.

Dieser Tragik gegenüber steht Baldwins nüchtern-sachlicher Erzählstil, der die Geschehnisse aus Davids Perspektive schildert. Er selbst versucht sich von seinen Emotionen und Gefühlen nicht mitreißen zu lassen und das spiegelt sich auch im Ton der Erzählung wider. Gleichzeitig unterstreicht sie damit die Tragik und Traurigkeit der Handlung. David ist völlig unfähig sich selbst seine Gefühle einzugestehen und diese auch vor anderen zuzulassen. So sehr schon, dass es einem beim Lesen fast überkommt vor Beklemmung! Ihm gegenüber steht der emotionale Giovanni, der seine Verzweiflung und Gefühlsausbrüche – zumindest vor David – auslebt. Und obwohl wir schnell wissen, dass Giovanni keine gute Zukunft bevorsteht, nimmt dies der Geschichte keinerlei Spannung. Ein aufwühlender und einfühlsamer Roman, der auch heute noch in einer Welt, in der Schwule und Lesben noch immer nicht überall akzeptiert werden, nicht an Aktualität verloren hat.

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