Terjei Vesaas: Die Vögel

Momentan habe ich echt einen Lauf, was meine Buchauswahl betrifft. Ein Lese-Highlight jagt das nächste. Dazu zählt auch der Roman „Die Vögel“ von Terjei Vesaas, der zu den bekanntesten Schriftstellern Norwegens zählt. Nun wurde Geschichte im dtv Verlag neu übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel herausgegeben – und ist ein absoluter Lesetipp von mir.

In „Die Vögel“ beschreibt Terjei Vesaas das Leben der beiden Geschwister Mattis und Hege, die in einem abgelegenen Dorf in Norwegen wohnen. Seit dem frühen Tod der Eltern kümmert sich Hege um das Einkommen und um ihren Bruder. Der Buchrücken beschreibt Mattis als Sonderling, die Leute in seinem Dorf nennen ihn Dussel. Denn der Kind gebliebene Erwachsene lebt in seiner eigenen Welt.

Mattis schafft es nicht einer geregelten Arbeit nachzugehen. Körperliche Arbeit strengt ihn zu sehr an und was für andere Leute ganz logisch erscheint, ist für ihn schwer verständlich. Seine Gedanken schweifen einfach zu schnell ab. Doch Mattis ist nicht dumm. Er hört, was die Dorfbewohner über ihn sagen. Er merkt, wann seine Schwester böse auf ihn ist, weil er wieder etwas falsches gesagt hat. Und vor allem: Er hat ein Auge für die Magie der Natur, allen voran für die Schnepfe, die eines Nachts über das Haus der Geschwister zieht.

Für ihn ist das Erscheinen der Schnepfe ein gutes Omen. Doch als das Tier plötzlich von einem Jäger geschossen wird und dann auch noch ein reisender Holzfäller in das Leben seiner Schwester tritt, bricht Mattis Welt völlig für ihn zusammen.

Vesaas seziert das emotional aufgewühlte Innenleben

Der Inhalt von „Die Vögel“ ist eigentlich schnell erzählt und der Roman kommt auch mit wenigen hundert Seiten aus. Doch Terjei Vesaas schafft es mit seiner vermeintlich schnörkellösen Sprache, den Leser völlig in seinen Bann zu ziehen. Denn trotz dieser Nüchternheit treffen die Worte direkt ins Herz und kreieren eine poetische Wucht.

Wir tauchen völlig in diese faszinierende Gedankenwelt Mattis ab und leiden mit ihm auf seiner Suche nach einem Platz in dieser Welt, die für uns ganz logisch, für ihn aber so fremd ist. Vesaas reißt uns hinab in diese melancholische Welt seines Protagonisten, dessen sehnlichster Wunsch es ist, akzeptiert zu werden und – wie die Schnepfe bei ihrem Balzflug – eine Partnerin zu finden.

Andererseits kann man als Leser auch die Situation der Schwester gut verstehen. Sie hat einen Großteil ihres Lebens aufgeopfert, um ihren Bruder zu versorgen. Nun hat sie die Möglichkeit für ein kleines bisschen Glück. Kann man ihr verübeln, dass sie einmal an sich denkt? Beim Lesen ist man richtig verzweifelt, weil man für beide Figuren so sehr ein Happy End herbei wünscht.

Terjei Vesaas hat mich absolut umgehauen. Ich habe den Roman in einem Stück inhaliert, weil ich das Buch gar nicht beiseitelegen konnte. „Die Vögel“ ist eine Geschichte, die einen nach dem Zuklappen noch völlig in Atem hält, die Gefühle durcheinander wirbelt und noch lange nachhallt. Nun möchte ich ganz dringen Vesaas Roman „Der Eispalast“ lesen.

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