John Galsworthy: Die Forsyte Saga

Der Reclam Verlag hat kürzlich eine wunderschöne Neuauflage der Forsyte Saga von John Galsworthy herausgegeben. Der Zyklus besteht aus drei Romanen, die im Hardcover aufgelegt und von einem stabilen Schuber zusammengehalten werden. Allein optisch ist die Galsworthys Klassiker somit schon ein absolutes Highlight im Bücherregal. Komplettiert wird das Ensemble durch einen ausklappbaren Stammbaum, der beim Lesen wirklich absolut praktisch ist. Denn die Familie Forsyte, die der oberen Mittelschicht angehört, ist wirklich sehr ausschweifend, mit zahlreichen Namen und Personen, die man sich erst einmal merken muss. Galsworthys Familiensaga beginnt im viktorianischen London und begleitet die Familienmitglieder über mehrere Generationen hinweg bis in die frühen 1920iger Jahre.

Die Forsyte Saga besteht aus drei Einzelbänden: »Der reiche Mann«, »In Fesseln« und »Zu vermieten«, welche in zum Thema der Familiensaga passend illustriertet sind. Gleich im ersten Band lernen wir eine Vielzahl der Familienmitglieder kennen, die bei einer Feier zur Verlobung von der jungen June, Enkelin von Familienoberhaupt Jolyon (dem Älteren), mit dem Architekten Bosinney zusammen kommen. Die Familie stammt ursprünglich aus einfacheren Verhältnissen und hat sich über die Generationen in der Gesellschaft nach oben gearbeitet. Deshalb ist es wichtig, passende Verbindungen herzustellen. Bosinney passt nicht wirklich in das Raster der Familie, daher sind nicht alle über die Verbindung glücklich.

Der Besitzinstinkt steht niemals still. Durch Blütezeit und Fehde, Frost und Feuer folgte er den Gesetzen des Fortschritts selbst in der Familie Forsyte, die ihn für ewig unveränderlich gehalten hatte. So wie die Qualität der Kartoffeln von der Erde abhängt, in der sie wächst, so lässt sich auch der Besitzinstinkt nicht von seiner Umgebung trennen.

John Galsworthy: Forsyte Saga

Blick auf die Geschichte durch die Augen der Fosyte Familie

Und das zurecht! Denn mit der Zeit stellt sich raus, dass Bosinney eine Affäre hat. Ausgerechnet mit Irene, der Ehefrau von Soames, dem Neffen von Jolyon. (Ihr seht langsam, warum der Stammbaum hilfreich ist). Soames ist der Prototyp der aufsteigenden bürgerlichen Klasse, der alles dafür tut, um seinen Platz in der Gesellschaft zu verbessern, sein Vermögen anzureichern und seinen Status zu präsentieren. Er ist der titelgebende reiche Mann und er versucht alles, dass dies auch so bleibt. Seine Ehe mit Irene ist unterkühlt. Zwar liebt er die wunderschöne Frau, sieht sie aber als sein Eigentum an und es passt ihm nicht, dass er Irene nicht unter seiner Kontrolle hat.

Als Gegenfigur zu Soames tritt Jolyon der Jüngere, Vater von June, aufs Parkett. Er wurde aus der Familie verstoßen, als er seine Geliebte heiratete. Er hat sich für die Liebe und gegen das Geld und das Ansehen entschieden. 15 Jahre hatte er keinen Kontakt zu den Forsytes und hat sich inzwischen ein gemütliches Leben mit seiner zweiten Frau und den beiden Kindern eingerichtet. Bis zu dem Tag, an dem Jolyon, der Ältere plötzlich wieder Kontakt zu ihm aufnimmt – bevor es für den alten Herren zu spät ist.

Kein Wunder, dass John Galsworthy den Literaturnobelpreis erhalten hat. Das Portrait, das er von der damaligen Gesellschaft und ihren Mitgliedern zeichnet, ist voller Details und Raffinesse. Es lässt uns eintauchen in die Zeit der Jahrhundertwende und gibt tiefe Einblicke in die Gesellschaft der damaligen Zeit. Beim Lesen hatte ich immer wieder das Gefühl, dass hier Thomas Manns Buddenbrooks auf Downton Abbey treffen. Wem also diese beiden Geschichten gefallen, sollte unbedingt auch die Forsyte Saga lesen!

Forsyte Saga = Buddenbrooks meets Downton Abbey

Als stiller Beobachter verfolgen wir die teils dramatischen Ereignisse in der Familie. Dabei wahrt Galsworthy die klassische englische Distanziertheit. Einiges muss man zwischen den Zeilen lesen. Trotzdem zieht einen die Forsyte Familie nach und nach in den Bann, wenn man sich erst einmal in die verstrickten Familienverhältnisse eingearbeitet hat. Und dann fühlt man schnell mit den Figuren, leidet mit ihnen, wenn sie einen neuen Schicksalsschlag durchleben müssen und fiebert bei den verschiedenen Liebesanbändelein mit. Und so schmelzen auch die insgesamt gut 1000 Seiten Handlung ganz schnell zwischen den Fingern weg.

Wer viel Aktion und Aufregung sucht, sollte zu einem anderen Buch greifen. Aber wer Familiensagen, Wechsel der Generationen sowie Persönlichkeitsentwicklungen und geschichtliche Portraits liebt, für den wird die Forsyte Saga von John Galsworthy ein absolutes Schätzchen sein.

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