Patricia Highsmith: Der talentierte Mr. Ripley

Manchmal zahlt es sich wirklich aus, dass ich von Filmen so wenig Ahnung habe. Bei Bücher kann ich meist sagen: Kenn ich, hab ich gelesen, will ich noch lesen, hab ich von gehört. Bei Filmen muss ich leider oft passen. Aber manchmal ist das auch total von Vorteil. Denn so kann ich ganz unvoreingenommen so manche Geschichte lesen, ohne immer die Bilder des Filmes im Kopf zu haben und sie von vornherein zu vergleichen. So auch bei Patricia Highsmith talentierten Mr. Ripley. Die meisten kennen wohl den Film mit Matt Damon in der Hauptrolle. Ich habe diesen in der Tat noch nicht gesehen, wollte aber schon ewig das Buch lesen – und habe das nun endlich nachgeholt!

Schon 1955 schrieb Highsmith ihren Roman, der zunächst unter dem Titel „Nur die Sonne war Zeuge“ erschien. In nur sechs Monaten war ihr Roman fertig und nachdem das Buch so gut ankam, folgten gleich vier weitere Romane um Tom Ripley. Aber wer ist dieser Mr. Ripley eigentlich? – Tom Ripley lebt zu Beginn der Handlung in New York und hält sich mit Fälschungen und Betrügereien über Wasser. Bis eines Tages Herbert Greenleaf, der Vater eines Bekannten, bei ihm auftaucht und ihn um seine Hilfe bittet. Tom soll Dickie, den Sohn Greenleafs, zu seinen Eltern zurückbringen. Denn Dickie hat sich vor zwei Jahren nach Mongibello, einem Dorf bei Neapel, abgesetzt, verbringt dort seine Zeit mit Malen und Segeln, anstatt in das väterliche Unternehmen einzusteigen. Sowohl gutes Zureden also auch Drohen haben keinen Effekt auf Dickie gehabt. Nun hofft der Vater, dass Tom den verlorenen Sohn zur Heimkehr überreden kann.

Also macht sich Tom auf den Weg nach Italien auf einmal mit Taschen voll Geld und Erster-Klasse-Tickets – natürlich alles sponsored by Herbert Greenleaf. Ein Leben, an das Tom sich gewöhnen könnte. In Italien angekommen, spürt Tom Dickie schnell auf -doch dieser scheint nicht wirklich an dieser Bekanntschaft interessiert zu sein. Erst als Tom ihm die Wahrheit gesteht, fasst Dickie nach und nach Vertrauen zu Tom. Ganz zum Missfallen von Dickies Bekannter Marge, ebenfalls Aussteigerin, die an ihrem ersten Roman schreibt – und schwer in Dickie verliebt ist. Sie argwöhnt von Anfang an, dass Tom nur auf seinen eigenen Nutzen aus ist, ein Schmarotzer ist und – was vielleicht am schlimmsten für sie ist – eventuell sogar schwul und in Dickie verliebt.

Tom wiederum gewöhnt sich so sehr an Dickie und dessen Lebensstil, dass er am liebsten in Italien bleiben würde. Erst als ihm durch Mr. Greenleaf der Geldhahn abgedreht wird, da er Dickie ja nicht zur Rückkehr überreden konnte, sinnt Tom auf eine ganz andere Möglichkeit, dieses Leben bei zu behalten: Dickie muss verschwinden und Tom seinen Platz einnehmen! Und als die beiden alleine einen Segelausflug machen, bietet sich die perfekte Gelegenheit Dickie aus dem Weg zu räumen! Von nun an schwebt Tom nicht nur permanent Zwischen zwei Persönlichkeiten (Dickies und seiner eigener), zwischen denen er immer wieder wechseln muss, sondern muss auch vor der Polizei, Marge und Dickies Vater flüchten, die natürlich alle herausfinden wollen, was mit Dickie passiert ist.

Highsmith gelingt es dieses Katz-und-Maus-Spiel in unheimlich spannenden Bahnen zu lenken. Ständig ist man kurz vorm Platzen vor Aufregung, weil es nun doch endlich gelingen muss, Tom zu fangen. Aber – und das ist vielleicht das faszinierendste an diesem Buch – dabei fiebern wir nicht mit dem trauernden Vater mit oder der verlassenen Freundin. Nein! Wir fiebern mit Tom mit, diesem unmoralischen, egoistischen, Geld geilen Mörder – der es trotz all dieser Charakterzüge von Anfang an schafft, dass der Leser sich auf seine Seite schlägt, seine Gedankengänge logisch findet und schon fast selbst meint, dass Dickie nun doch endlich einfach von der Bildfläche verschwinden sollte. Ja, ich muss gestehen, dass ich mir sogar fast beim Lesen gewünscht hätte, dass Tom auch noch die ewig nörgelnde, nervige Marge um die Ecke bringt, die außerdem immer wieder droht, ihn zu entlarven. So wird man beim Lesen ganz schnell nicht nur zum Mitwisser, sondern fast schon zum Komplizen von Tom.

Und dabei ist dieser doch beim Lesen oft so „ungreifbar“. Ist er wirklich nur hinter Dickies Geld her? Hat er doch Gefühle für seinen Freund? Oder ist er doch nur kalt, intelligent und berechnend? Und wie schafft er es, verdammt noch mal, uns so einfach auf die Seite des Bösens hinüber zu ziehen?

Unheimlich interessant ist nach der Lektüre der Geschichte auch das Nachwort von Paul Ingendaay. Dem Leser wird selber schnell klar, dass neben den homoerotischen Stimmung auch Kleider, deren Auswahl und das An- und Ausziehen eine große Rolle spielen, aber Ingendaay bringt das ganz drastisch auf einen Punkt: „Nach dem ersten Ausziehe vor dem Spiegel, gewissermaßen als Kleiderprobe, und dem zweiten Ausziehen, das einen tödliche Falle war, bedeutet das dritte Ausziehen die Inbesitznahme von des Ermordeten Haus, Kleiderschrank und sonstiger Habe“. So wird Der talentierte Mr. Ripley zu einer bitterbösen Verkleidungskomödie, die uns beim Lesen auf immer wieder an unserer Moral zweifel lässt. Der Krimi verkommt zum verkehrten Detektivroman, bei dem man nicht mit dem Detektiv, sondern mit dem Mörder mitfiebert. Herrlich fies und wunderbar zu lesen!6

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