Mikey Walsh: Jungen weinen nicht

„Jungen weinen nicht“ ist ein autobiografischer Roman von Mikey Walsh. Der irische Autor beschreibt darin sein Leben und wie er in einer englischen Romani-Gemeinschaft aufwächst. Und eigentlich bräuchte dieses Buch eine Triggerwarnung. Denn er ist definitiv nichts für sensible Leser.

Die Geschichte beginnt und beschreibt überwiegend Episoden aus Walshs Kindheit. Er ist der älteste Sohn in der Familie. Daher will der Vater ihn nach seinem Ebenbild formen: ein starker Typ soll Mikey werden, der bei Boxkämpfen alle Gegner niederschlägt. Aber der Junge ist sensibel und leicht eingeschüchtert. Ein Weichei – wenn es nach seinem Vater geht. Der diese Schwäche mit Prügeln bestraft, um den Jungen hart zu machen. Schreitet die Mutter ein, um dem Kind zu helfen, wird auch sie verprügelt.

15 Jahre lang hält Walsh es in der Familie aus. Von seinem Vater wird er quasi täglich geschlagen, wenn der sich nicht gerade mit Freunden und Verwandten betrinkt. Auch von den anderen Kindern bezieht Mikey Prügel. Und von seinem Onkel wird er sexuell belästigt. Schließlich gelingt dem Jungen die Flucht aus der Familie.

Der autobiografische Roman zeigt Mikey Walshs Reise der Selbstfindung und Selbstakzeptanz in einer Gemeinschaft, die ihn ablehnt. Als Leser ist man eigentlich durchgehend schockiert von den Misshandlungen, die dieser Jungen durchleben muss. Und man fragt sich, wie er dies über so eine lange Zeit durchgehalten hat. Hier muss man beim Lesen schon eine Menge krasser Details aushalten. Das ist definitiv nicht für Zartbesaitete.

Insgesamt spiegeln die Schilderungen von Walsh ziemlich krass die negativen Klischees wider, die man von den Travellers kennt: Alkoholismus, Brutalität, Diebstähle, unflätiges Verhalten etc. Manchmal habe ich mich gefragt, ob das wirklich alles so ganz stimmt, oder wie überzogen die Schilderungen vielleicht sind.

Was ich aber definitiv nicht verstanden habe, war das Ende. Denn trotz dieser zahlreichen Missbräuche stimmt Mikey Walsh zum Abschluss einen sehr versöhnlichen Ton an. Im Sinne von: „Und doch möchte ich diese Kindheit nicht eintauschen. Und es war ja alles so toll“ Das war für mich sehr schwer nachvollziehbar und steht im krassen Kontrast zum Rest des Buches.. Dieser Bruch lässt irgendwie einen faden Geschmack zurück. Als ob Walsh ein „Hollywood Happy End“ erzwingen wollte, damit der Leser das Buch glücklich beiseite legt.

Und dieser Bruch von Mikey Walsh lässt mich daher auch etwas an den anderen Schilderungen zweifeln und daran, wie konstruiert sie sind. Aber vielleicht bin ich auch einfach nur ein zu großer Skeptiker manchmal.

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