Jean Rhys: Guten Morgen, Mitternacht

„Guten Morgen, Mitternacht“ ist der dritte Roman der Autorin Jean Rhys. Bekannt ist Rhys vor allem wegen ihres vierten Buchs „Die weite Sargassosee“, in der sie eine Vorgeschichte zu Charlotte Brontes Klassiker „Jane Eyre“ zu Papier gebracht hat. Aber auch bei „Guten Morgen, Mitternacht“ bedient sich Jean Rhys bei ihren literarischen Vorgängerinnen. Denn der Titel des Romans ist auch der Name eines Gedichts von Emily Dickinson.

Guten Morgen – Mitternacht –
ich kehr zurück nach Haus –
der Tag – ward meiner leid –
wie käm ich ohn’ ihn aus?

Emily Dickinson: Guten Morgen, Mitternacht

Rhys schreibt in diesem Roman aus der Sicht von Sasha Jansen. Die Handlung liest sich wie eine Art innerer Monolog. Der Leser muss nach und nach das Puzzle aus Erlebten, Gesagten und Geträumten zusammenbauen. Schließlich ergibt sich daraus ein trauriges Bild.

Die nicht mehr ganz junge Frau befindet sich in Paris der 1920er Jahre. Nachdem sie sich in London Eine Freundin hatte ihr Geld geliehen, damit sie wieder dorthin zurückkehren kann, wo sie einst so glücklich war. Sie soll wieder auf andere Gedanken kommen. Das Leben genießen. Denn daheim hätte sie sich fast zu Tode getrunken.

Doch auch in Paris kann Sasha nicht vor ihrer Vergangenheit fliehen. Sie zieht von Bar zu Bar, trifft sich dort mit Männern und trinkt auch tagsüber im Hotel alleine weiter. Zu viele Erinnerungen beschwört die Stadt herauf. Wie sie einst mit ihrem Mann gemeinsam hier lebte. Die große Liebe. Ein Leben voller Leidenschaft. Eine Schwangerschaft.

Aber leider kommen auch die Schattenseiten kommen wieder hoch: Die Geldsorgen. Die Streitereien. Die Trennung. Der Tod des Kindes, wenige Tage nach der Geburt. Und die Frage des Ex: Warum hast du dich nicht in der Seine ertränkt?

Schnell ist klar, dass dies keine fröhliche Geschichte für zwischendurch ist. Es ist ein melancholischer, depressiver und trauriger Roman, dessen Handlung sich größtenteils am Rande abspielt. Jean Rhys‘ ist eine außergewöhnliche Autorin innerer Zustände. Der Konflikt zwischen dem harten Schicksal ihrer Protagonistin, die Einsamkeit, der Alkoholismus und die Heimatlosigkeit setzt sie gekonnt in Szene.

„Guten Morgen, Mitternacht“ ist wunderschön tragisch, düster humorvoll und völlig hoffnungslos. Davor „warnt“ auch A.L. Kennedy in ihrem Vorwort dieser schönen neuen Ausgabe vom Kampa Verlag. Je nach Stimmung und Lebenslage könnte dieses Buch einen anderen Effekt auf den Leser haben, ist sich Kennedy sicher.

Und trotz der Schwere dieses Buchs ist man dennoch völlig fasziniert von der Handlung. Man wird eingesogen in diesen tiefenpsychologischen Strudel. Man versinkt in den Emotionen der Protagonistin und wird fast selbst süchtig danach.

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