In „Was Masie wusste“ beschreibt Henry James das Schicksal der jungen Maisie. Das Mädchen wird zum Spielball im Streit zwischen ihren Eltern. Gleich zu Beginn der Geschichte wollen die Eltern sich scheiden lassen. Das Gericht verfügt aber, dass Maisie, das einzige Kind, je ein halbes Jahr bei einem der Elternteile leben soll. Dabei wollen sowohl Vater als auch Mutter diese Bürde nicht auf sich nehmen. Stattdessen würden sie lieber ausschließlich ihrem frivolen Lebensstil weiterfrönen und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Maisie wird also immer wieder zwischen den Ex-Partnern hin- und hergeschoben.
Dabei versuchen die Eltern immer wieder zu manipulieren und sie dafür zu benutzen den Hass am jeweils anderen auszulassen. Doch Maisie ist zwar jung, aber nicht ganz so dumm, wie ihre Eltern vielleicht annehmen. Das Mädchen lernt schnell dazu und blickt hinter die Dummheit, den Egoismus, die Verlogenheit ihrer Eltern und deren späterer Liebhaber.
Es sollte das Schicksal dieses duldsamen kleinen Mädchens werden, mehr zu sehen, als es zunächst verstand, aber auch, und dies von Anfang an, viel mehr zu verstehen, als dies vielleicht je zuvor ein Mädchen vergleichbaren Alters, wie duldsam auch immer, getan hatte.
Durch Maisies Kinderaugen lernen wir die anderen Figuren kennen und blicken mit ihr schnell hinter die scheinheiligen Fassaden. Denn auch wenn Maisie sich gegenüber der Erziehungsberechtigten oft dümmer stellt als sie ist – das Kind versteht weitaus mehr, als die erwachsenen ihm zutrauen. So wird sie zu einer wissenden Zuschauerin und Zuhörerin, deren Blick die Intrigen und Affären der anderen schnell entlarvt.
Viel zu schnell muss das Kind heranwachsen, für sich selbst einstehen lernen. Denn nicht nur Vater und Mutter lassen sie im Stich, sondern auch die Gouvernante, die den Reizen des Vaters verfällt. Der neue Ehemann der Mutter scheint Maisie besser zu behandeln, aber auch er ist nicht die ideale Vorbildfigur, genauso wenig wie die Ersatzerzieherin, die in Maisie nur einen Ersatz für ihr eigenes, verstorbenes Kind sieht.
Wie wird sich das Mädchen in diesem Labyrinth (Maze = Maisie) aus Intrigen und Lügen entwickeln? Wird sie einen Ausweg finden? Oder daran zerbrechen? Henry James, der für seine detaillierten Charakterstudien bekannt ist, malt auch dieses Mal wieder ein genaues Bild seiner Hauptfiguren. Zum Teil sind die Sätze zwar schon sehr lang und man droht ab und an mal den Faden zu verlieren. Mit Hilfe dieser Schachtelsätze die Welt durch die Augen eines Kindes zu schildern scheint etwas merkwürdig anzumuten. Aber gerade dadurch verlieren auch wir erwachsene Leser den Überblick, sind verloren in dieser fiktiven Welt und fragen uns: Was passiert hier eigentlich gerade? So sind wir gemeinsam mit Maisie in diesem Labyrinth gefangen und versuchen uns darin zurecht und den Ausweg zu finden. Wenn man also die Geduld und den Mut hat, sich darauf einzulassen, ist es eine wirklich wundervolle Geschichte mit der Henry James hier aufwartet.