Ende letzten Jahres hatte ich das Glück, Celeste Ng bei ihrer Buchtour zu ihrem aktuellen Roman „Unsere verschwundenen Herzen“ live zu erleben. Schon diesen dystopischen Roman fand ich ziemlich gut. Und er hat mich neugierig gemacht, auf die anderen Bücher von Ng.
Also habe ich mir damals gleich ein Exemplar von „Kleine Feuer überall“ mitgenommen und signieren lassen. Und was soll ich sagen: Dieses Buch hat mich noch viel mehr begeistert!
Shaker Hights ist ein nobler Vorort in Cleveland. Hier sind alle Familien reich und leben wie im Bilderbuch. Für alles gibt es Regeln und Vorschriften. Hausfarbe, Rasenlänge etc – alles ist reguliert. Caroline Richardson ist hier aufgewachsen. Ihre Familie hatte hier Wohneigentum. Und so ist die inzwischen erwachsene Journalistin auch mit ihrem Mann und ihren Kindern vor Ort geblieben.
Doch es brodelt unter der ach so perfekt wirkenden Oberfläche! Gleich zu Beginn startet Celeste Ng mit einem Knall in die Geschichte. Denn das Haus der Richardsons brennt lichterloh! Der Verdacht: Problemkind Izzy soll die Schuldige sein. Doch wie kommt der Teenager dazu, das Familienhaus anzuzünden?
„Vergiss nicht, manchmal muss man alles abbrennen und von vorn anfangen. Nach dem Brand ist die Erde fruchtbarer, und Neues kann wachsen. Genau ist es bei den Menschen. Sie fangen von vorne an. Sie finden einen Weg“
Rückblende: Einige Monate zuvor kommen die alleinerziehende Mutter und Künstlerin Mia und ihre Tochter Pearl nach Shaker Hights. Die beiden passen so gar nicht in die Abziehbild-Welt des Ortes. Dennoch vermietet Caroline Richardson ihnen eine Wohnung im zweiten Haus der Familie. Schnell freundet sich Pearl mit den Richardson-Kindern an. Vater, Mutter, vier Kinder, Autos, Geld und ein tolles Haus – das ist alles wovon das Teeniemädchen träumt. Denn sie und ihre Mutter sind immer on the road, haben kaum Habseligkeiten und ihren Vater kennt sie gar nicht.
Andererseits ist „Problemkind“ Izzy von Mia fasziniert. Eine Frau, die sich so gar nicht um Regeln schert und darum, was die Leute denken. Noch dazu lebt sie ihre Kreativität aus. Das möchte Izzy auch probieren und wird schnell zu Mias Assistentin. Und dann gibt es im Spannungsfeld der beiden Familien noch einen Streit um das Sorgerecht für ein ausgesetztes Baby…
Celeste Ng hat mit „Kleine Feuer überall“ wirklich einen sehr gelungen konstruierten Roman vorgelegt. Natürlich sind die beiden Seiten der Medaille sehr clever gegenübergestellt. Aber dennoch driftet die Handlung nicht allzu sehr ins Klischeehafte ab.
Das Buch erzählt in einem recht leisen aber wirkungsvollen Ton, wie unterschiedlich es sein kann aufzuwachsen und welche Arten von Erziehung es gibt. Welche der Mütter hat die richtige Entscheidung getroffen? Gibt es diese überhaupt? Und was macht eine gute Mutter aus?
Es geht um Erziehung, soziale Ungleichheit, Abtreibung, Adoption, Beziehungen zwischen Teenager, Rassismus und vor allem darum, auch einmal über den Tellerrand zu schauen und das Schicksal anderer nachzuvollziehen, ohne gleich zu urteilen. Dabei schafft es Celeste Ng mit ihrer feinen, zurückhaltenden Erzählstimme eine gewaltige Story auf Papier zu bringen, die nicht über andere richtet. Ein packender Roman, der einen gar nicht mehr loslässt.
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