Carlos Ruiz Zafon – wenn Bücherwürmer diesen Namen hören, stellen sich bereits alle Nackenhaare auf. Denn der spanische Autor war lange ein Garant für schaurig-schön-fantastische Bestseller Romane. Zafón war weltweit bekannt für seine Buchreihe um den Friedhof der vergessenen Bücher. Der erste Band erschien bereits 2004 unter dem Titel „Der Schatten des Windes“. 2018 kam mit „Das Labyrinth der Lichter“ der letzte Roman der Reihe in die Buchläden. Leider verstarb Carlos Ruiz Zafón 2020 an einer Krebserkrankung. Aber für Fans der Reihe gibt es nun doch noch mal ein Schmankerl.
Denn Carlos Ruiz Zafón hatte vor seinem Tod das Ziel, die fiktionale Welt rund um seinen Friedhof der vergessenen Bücher weiter wachsen zu lassen. Er schrieb einige Kurzgeschichten, die im Verbund mit der Reihe stehen. Zum Teil wurden diese schon veröffentlicht, zum Teil sind sie für die Leser aber auch noch vollkommen neu. Und so kommen wir doch noch einmal in den Genuss in die Sphären vom Meistererzähler Zafón ab zu steigen.
In dem neuen Buch, das nun im Handel erhältlich ist, tauchen wir ab nach Barcelona. Wir treffen wieder auf Altbekannte Gesichter rund um die Familie Sempere. Elf Geschichten sind es insgesamt. Wobei manche nur wenige Seiten umfassen und andere etwas länger sind.
Da ich ein großer Fan der Bücher von Carlos Ruiz Zafón bin, habe ich mich natürlich wahnsinnig gefreut, dass es nun einen weiteren Teil gibt. Und dann auch noch mit so einem tollen Cover. Schon der Blick auf das Titelbild zieht einen förmlich in die düsteren Katakomben unterhalb Barcelonas.
Zafón und das Dilemma um den Fürst des Parnass
Etwas enttäuscht war ich aber trotz allem. Denn ein Großteil des Buches umfasst die Kurzgeschichte „Der Fürst des Parnass“. Diese hatte der Fischer Verlag bereits im Jahr 2014 als Büchlein herausgegeben. Damals hieß es, dass Carlos Ruiz Zafón gemeinsam mit seinen Lesern des Welttag des Buches feiern will und sich bei den Buchhändlern bedankt, die seine Bücher zu dem großen Erfolg verholfen. Die Einnahmen kamen damals dem Sozialwerk des Deutschen Buchhandels zugute. Ein schöner Anlass definitiv!
Aber nun macht diese Geschichte den Löwenanteil des neuen Buches aus. Die anderen Geschichten sind dagegen sehr knapp gehalten. Das wirklich „Neue“ an dem Buch fehlte mir also – auch wenn ich den Fürst des Parnass trotzdem noch einmal gelesen habe. Meine ausführliche Besprechung dazu findet ihr hier: Link!
Es ist vielleicht jammern auf hohen Niveau. Denn die ersten Bände von Zafóns Reihe um den Friedhof der vergessenen Bücher haben mich so sehr in Bann gehalten. Es war diese besondere, mystische Atmosphäre, die Zafón heraufbeschwören konnte. Immer fühlte man etwas lauern. Musste den Atem anhalten. Fieberte mit den Protagonisten mit. Natürlich findet sich vieles davon auch in den Kurzgeschichten wieder. Aber – wie der Name schon sagt – es ist ein kurzes Vergnügen. Vielmehr scheinen die Geschichten von den Schatten der alten Bücher zu leben.
Wer weiß, vielleicht liegt es auch an mir? Ich bin – wie ich immer wieder betone – kein allzu großer Fan von Kurzgeschichten. Aber ich würde das letzte Buch von Carlos Ruiz Zafón deshalb wirklich nur eingefleischten Fans empfehlen, die bereits die vorangegangenen Bücher kennen. Auch wenn Zafón immer betonte, dass seine Bücher losgelöst von einander gelesen werden können und nicht unbedingt der richtigen Reihenfolge bedürfen – ohne die Vorgänger wird es neuen Leser wohl schwerfallen, die Faszination rund um den Meistererzähler Carlos Ruiz Zafón zu entdecken. Am traurigsten ist dabei aber vor allem, dass wir nie wieder in den Genuss neuer Bücher von ihm kommen werden.