Lesetipp des Monats: Mr Norris steigt um

Eckdaten zum Autor:

Christoph William Bradshaw-Isherwood war ein englischer Schriftsteller, der besonders durch seine Berlin Stories, der literarischen Vorlage für das Musical Cabaret, bekannt wurde. Im Alter von 25 Jahren folgte Isherwood, nach einem abgebrochenen Studium, seinem Partner, dem Schriftsteller W.H. Auden nach Berlin. Beide waren fasziniert von dieser Stadt – und ihrer Schwulenszene. Isherwood sprach bald fließend Deutsch und finanzierte sich sein Leben als Sprachlehrer. Heute erinnert eine Gedenktafel in der Nollendorfstraße, im bekannten Berliner Schwulen-Kiez, an Isherwood und daran, dass er dort einst gewohnt hat. Nach Hitlers Machtübernahme verließ Isherwood Deutschland und reiste durch Europa und Asien. 1939 emigrierte er schließlich in die USA und nahm 1946 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an. Zu seinen Freunden zählten später u.a. Tennessee Wiliams und Aldous Huxley. Isherwood arbeitet als Drehbuchautor und Schriftsteller und engagierte sich sehr für die Rechte der Homosexuellen in den USA. Seine beiden Romane Mr Norris steigt um und Leb wohl, Berlin prägten nicht nur das Bild Berlins im Ausland sondern brachten Isherwood auch den Ruf als literarisches Wunderkind ein.

Wichtigste und bekannteste Werke:

  • Mr Norris steigt um, 1935
  • Leb wohl, Berlin, 1939

Inhalt:

Der junge Brite William Bradshaw – dessen Name natürlich sofort an sein tatsächliches Alter Ego Isherwood erinnert – lernt auf der Reise von London nach Berlin den spleenigen Arthur Norris kennen. Beide kommen ins Gespräch und werden schnell Freunde und ziehen gemeinsam durch das Berlin der 1930er Jahre. Norris nimmt den eher passiven Beobachtern Bradshaw unter seine Fittiche, stellt ihm andere Menschen vor und geht mit ihm in Bars, Restaurants oder auch zu politischen Veranstaltungen. Bradshaw ist eher ein stiller Beobachter dieses Berlins, das Norris ihm eröffnet und zeigt. Doch der spleenige Norris scheint ihm trotz der langen Freundschaft immer ein Rätsel zu bleiben: Womit verdient er sein Geld? Und warum ist er ständig pleite? Woher kennt er diese ganzen Leute? Was für Geheimnisse versteckt er?

Unsere Meinung:

Mr. Norris steigt um basiert auf den eigenen Eindrücken Isherwoods, der zu Beginn der 1930er Jahre in Berlin lebte und Zeuge des Aufstiegs Hitlers wurde. Er schildert das wilde Berlin, seine verschiedenen (Unter-)welten, die verschiedenen Personenschichten und zeigt die Hauptstadt während des politischen Umbruchs kurz vor Hitlers Machtübernahme. Er zeigt die Geächteten, das verruchte Berliner Nachtleben, die Adelige, die Kommunisten und auch die Hitler-Befürworter. Schnittstelle ist immer Mr. Norris, der sich mit seinen ständig wechselnden Launen und Meinungen in allen Milieus herumtreibt. So gibt die Geschichte mit ihren kurzen episodenartigen Kapiteln perfekt die Atmosphäre des Berlins der 30ger Jahre wieder.

Vieles ist nur angedeutet und muss vom Leser zwischen den Zeilen heraus gelesen werden. Denn der Erzähler Bradshaw kommentiert nicht. Er fungiert nur als stiller Beobachter, durch den wir in kurz und knappen Berichten, die fast an kurze Zeitungsartikel erinnern, über das Geschehen informiert werden. Und so fallen wir, genauso wie Bradshaw, schnell in den Bann dieses kuriosen Mannes, der einem so viele versteckte Türen Berlins öffnet. Für mich als Berliner war es natürlich besonders schön, in die Vergangenheit meiner Heimatstadt einzutauchen, bekannte Straßen und Orte wieder zu entdecken in Geschichte. Und jetzt will ich auf jeden Fall schnell Cabaret gucken.

 

Vielen Dank an den Hoffmann & Campe Verlag für das Rezensionsexemplar!

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