Selvon Die Taugenichtse Buchlingreport

Samuel Selvon: Die Taugenichtse

Bereits 1956 erschien Samuel Selvons Roman unter dem Titel The Lonely Londoners das erste Mal. Nun endlich wurde die Geschichte auch ins Deutsche übersetzt und unter dem Titel Die Taugenichtse vom dtv Verlag herausgegeben. Und das Timing könnte passender nicht sein. Denn vor dem Hintergrund der Flüchtlingsströme und den ganzen Debatten dazu gehören, ist das Thema des Romans immer noch brandaktuell.

Die Helden des Romans könnten nicht bunter sein. Das fällt schon bei den Namen auf: Moses, Big City und Fünf-nach-zwölf sind aus der Karibik ins London der Nachkriegszeit gekommen. Voller Hoffnung auf bessere Zeiten, ein besseres Leben und eine neue Heimat voll neuer Möglichkeiten. Denn ab 1948 holte die britische Regierung aus den karibischen Kolonien zahlreiche billige Arbeitskräfte nach Großbritannien.

Begrüßt werden die neuen Einreisenden oft von Moses. Der selbst einer der frühen Einwanderer war – und bereits ziemlich desillusioniert ist. Das Leben in London hat ihn abgestumpft. Kein Reichtum. Kein fabelhaftes Leben. Stattdessen plagt er sich beim Arbeiten in der Fabrik ab, lebt in Armut und versucht trotzdem seine neuen Freunde beim Einleben in diesem fremden Land zu unterstützen. Denn auch sie sind dauerpleite, alleine und voller Fernweh. Von den Engländern werden sie angefeindet. Gehören nicht dazu. So bleiben sie stets unter sich – und versuchen sich nicht ihren Lebensmut nehmen zu lassen.

Das hier ist eine einsame, elende Stadt, wenn wir nicht dann und wann zusammenkommen würden und über Geschichten von zu Hause reden, dann würden wir leiden wie die Hölle. […] In London akzeptiert und keiner. Nicht richtig.

Samuel Selvon, der in den 50er Jahren selbst als Migrant nach London kam, beschreibt in kurzen episodenhaften Geschichten das Schicksal seiner Helden. Zwischen karibischer Lebensfreude und abgrundtiefer Einsamkeit, voller Hoffnung und großer Träume und dennoch immer leerer Geldbörsen. Er schreibt von Ghettos, von Klassenunterschieden und Vorurteilen. Und das kommt uns auch heute noch unheimlich bekannt vor!

Besonders ist auch die Sprache, die Selvon nutzt. Er lässt seine Protagonisten in einem kreolischen Slang sprechen und einem bunten Sprachenmischmasch, den ich mir im englischen Original noch eindrücklicher vorstelle als in der deutschen Übersetzung, die aber auch sehr versucht, diese authentische Erzählstimme wiederzugeben. Ein Kapitel ist zum Beispiel auch vollkommen mit der Stream-of-Consciousness-Technik geschrieben und erinnert dabei sehr an James Joyce, Virgina Woolf und Henry James, die ihre Protagonisten ebenfalls über Seiten hinweg, ohne Punkt und Komma Gedanken äußern lassen. Schließlich ist auch Sprache etwas, das Menschen verbindet aber auch ein Heimatgefühl vermittelt – und somit schön das rastlose und heimatlose der Protagonisten wiederspiegelt. Und doch schafft Samuel Selvon seine unterschiedlichen Charaktere und ihre desillusionierte Lage nicht missmutig und wertend zu beschreiben, ihre Anekdoten aneinander zu reihen und fast schon in einem lockeren Plauderton über ihre schwierige Lage zwischen den Kulturen sprechen zu lassen. Und das macht seinen Roman so lesenswert und gleichzeitig immer noch brandaktuell!

 

Vielen Dank an den dtv Verlag für das Rezensionsexemplar!

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