T.C. Boyle: World’s End

T.C. Boyles World’s End ist ein Roman, der seine Leser:innen herausfordert – aber auch reichlich belohnt. Der Einstieg fällt nicht leicht: Es gibt eine Vielzahl von Figuren, die teilweise ähnlich heißen und miteinander verwandt sind. Dazu kommen zahlreiche Handlungsstränge und Themen, die anfangs nur angedeutet oder angerissen werden. Dieses Chaos wirkt zunächst überwältigend, doch sobald man in Boyles Universum eintaucht, zieht es einen unwiderstehlich in seinen Bann.

Im Zentrum steht Walter Van Brunt, ein junger Mann in den 1980er Jahren, dessen Leben von den Taten und Traumata seiner Vorfahren geprägt ist. Er rast an seinem 22. Geburtstag mit seinem Motorrad gegen eine Gedenktafel für Cadwallader Crane und Jeremy Mohonk. Dabei verliert der junge Mann eines seiner Beine. Und fängt schließlich an, seine Familiengeschichte aufzurollen. Denn dieser ominöse Mohonk ist einer seiner direkten Vorfahren.

Der Roman springt zwischen verschiedenen Zeitebenen von Jeremy und Walter hin und her: von der niederländischen Kolonialzeit im 17. Jahrhundert bis hin zu Walters Gegenwart. Boyle erzählt nicht nur Walters Geschichte, sondern entwirft ein großes Panorama der sozialen und ökologischen Veränderungen in der Region Hudson Valley, New York.

Boyle erzählt eine Geschichte, die sich über Jahrhunderte entwickelt

World’s End ist dicht, ambitioniert und verlangt Aufmerksamkeit – vor allem am Anfang, wenn die vielen Ebenen und Figuren noch nicht klar miteinander verbunden sind. Doch es lohnt sich durchzuhalten. Boyles Schreibstil hat etwas soghaftes. Seine poetische Sprache und die dichte Atmosphäre schaffen es, dass man gar nicht anders kann, als weiterzulesen. Die verschiedenen Puzzlestücke der Handlung fügen sich allmählich zu einem großen, faszinierenden Bild zusammen, und man will unbedingt verstehen, wie die Vergangenheit und Gegenwart miteinander verknüpft sind.

Boyle gelingt es meisterhaft, historische und persönliche Dramen miteinander zu verweben. Der Roman thematisiert die Verstrickung von Schuld und Verantwortung, die Ausbeutung von Land und Menschen und die Suche nach Identität. Dabei bleiben die Figuren trotz ihrer moralischen Schwächen lebendig und glaubhaft. Die düstere Atmosphäre wird immer wieder durch Boyles satirischen Humor aufgelockert.

Am Ende ist World’s End ein Werk über die unentrinnbare Macht der Vergangenheit und die Komplexität menschlicher Beziehungen. Es ist ein Roman, der durch seine Sprache, seinen Tiefgang und seine erzählerische Raffinesse lange nachwirkt – und der den Lesern trotz des kniffligen Einstiegs nicht mehr loslässt.

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