Gogol erzählt in „Die Nase“ die Geschichte eines Beamten, der eines Morgens feststellt, dass seine Nase verschwunden ist. Nicht einfach weg – nein, sie läuft plötzlich als hochrangiger Staatsrat durch St. Petersburg und weigert sich, zu ihrem Besitzer zurückzukehren. Schon die Grundidee ist so herrlich absurd, dass man sich fragt, wie Gogol damit 1836 durch die Zensur gekommen ist.
Und genau das macht die Novelle so besonders: Hinter dem Humor steckt ein literarischer Paukenschlag. Gogol zieht die komplette gesellschaftliche Ordnung des zaristischen Russlands durch den Kakao – den Statuswahn, die lächerliche Bürokratie, den blinden Gehorsam gegenüber Titeln und Uniformen. Dass eine Nase gesellschaftlich angesehen ist, während ihr eigentlicher Besitzer zum Gespött wird, ist natürlich kein Zufall. Gogol hält seiner Zeit einen Spiegel vor, und der zeigt ein Bild, das gleichzeitig grotesk und erschreckend treffend ist.
Beim Lesen merkt man schnell, warum Die Nase zum prägenden Werk des russischen Realismus und der literarischen Moderne wurde. Diese Mischung aus Satire, sozialer Kritik und surrealem Humor muss damals wie ein Schlag ins Gesicht gewirkt haben. Heute liest es sich wie der Urvater jeder absurden Erzählung. Kafka hätte sich gefreut.
Ein aberwitzig kurzer Klassiker, der mich beim Lesen gleichzeitig zum Schmunzeln, Stirnrunzeln und Kopfschütteln gebracht hat.
Mir hat die Novelle richtig Spaß gemacht. Sie ist kurz, bissig und völlig unvergleichlich. Und sie zeigt, dass Literatur nicht brav, ernst und geordnet sein muss, um etwas zu sagen. Manchmal reicht eine verloren gegangene Nase, um eine ganze Gesellschaft zu entlarven.
