Karine Tuil: Diese eine Entscheidung

Mit „Diese eine Entscheidung“ legt die französische Autorin Karine Tuil ihren siebten Roman auf deutsch vor. Dabei stellt sie ihre Heldin vor eine alles entscheidende Frage, deren Antwort das Schicksal vieler Menschen beeinflusst.

Alma ist 49 Jahre alt und Mutter von drei Kindern. Ihre Ehe läuft nicht gut. Distanz, Frustration und Feindseligkeit sind an der Tagesordnung. Ihr Mann war ein erfolgreicher Schriftsteller. Als One Hit Wonder kann er aber nicht an die vergangenen Erfolge anknüpfen. Alma hingegen hat Karriere gemacht. Sie ist Richterin für Terrorismusuntersuchungen. Bei ihrem neusten Fall muss Alma prüfen, ob ein junger Mann, der aus Syrien nach Frankreich zurückgekehrt ist, für den Islamistischen Staat rekrutiert wurde oder nicht. Sie muss darüber entscheiden, ob er vor seiner Verhandlung freikommt oder in Haft bleibt.

Der Roman untersucht Almas komplexen, ambivalenten und schmerzhaften Weg zu dieser Entscheidung. Sie steht unter einer Menge Druck, denn ihr Urteil entscheidet über das Schicksal eines Individuums, aber ggf. auch über das Leben der französischen Bevölkerung. Gleichzeitig beschreibt das Buch die tragischen Auswirkungen auf ihr Leben und das ihrer Familie. Ihr Karriereaufstieg steht dem ihres Mannes gegenüber. Er hatte sie einst betrogen. Jetzt ist es Alma, die eine Affäre führt. Ausgerechnet mit dem Anwalt des jungen Syrers. Der natürlich auch außerhalb des Gerichts für die Unschuld seines Mandanten plädiert. Alma steht vor mehreren wichtigen Entscheidungen in ihrem Leben. Lässt Sie den jungen Mann frei? Trennt sie sich von ihrem Mann?

Tuil stellt ihre Heldin vor zwei moralische Dilemma

Karine Tuil nutzt für die Darstellung ihrer Geschichte zu diesem immer noch aktuellen Thema einen kühlen und sachlichen Ton. Wir lesen Gesprächsprotokolle von Verhören und bekommen Akteneinsicht in den Fall. Aber auch das Privatleben von Alma wird von diesem trockenen Ton beherrscht. Vielleicht auch ein Zeichen dafür, dass das Feuer ihrer Ehe endgültig erloschen ist.

Dabei stellt Tuil ihre Romanheldin gleich vor zwei moralische Dilemma, ohne Partei zu ergreifen. Wir als Leser können uns beim Lesen der „Akte Alma“ selbst eine Meinung dazu bilden, wie wir uns in dieser Situation entscheiden würden. Bis Alma schließlich die berühmt Entscheidung trifft und wir zusehen können, wie das Schicksal seinen lauf nimmt.

Die Thematik ist absolut spannend und packend, denn vor den zahlreichen Anschlägen in Frankreich oder bei uns in Deutschland war das Thema der Radikalisierung von Jugendlichen ja auch oft in unserer Presse zu lesen. Ich habe mich von Karine Tuils Roman auch im Großen und Ganzen gut unterhalten gefühlt und mich permanent gefragt, ob dieser junge Mann denn nun schuldig ist oder nicht. In diesem Punkt hat Tuil es absolut geschafft, mich in Bann zu halten.

Allerdings habe ich mich an einigen Punkten gefragt, ob die Geschichte nicht etwas zu schwarz/weiß oder klischeebehaftet ist. Musste der Mann von Alma zum Beispiel ein Mann jüdischer Herkunft sein, der sich nach einer freien Phase in seinem Leben später doch wieder radikal seinem Glauben zuwendet, um eine „ausgleichende“ Perspektive zum IS zu bilden? Und auch an anderen Stellen wirkten Dinge für mich etwas sehr konstruiert.

Aber im alles fand ich es eine spannende Lektüre, die einen sehr zum Nachdenken anregt!

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