Iwan Gontscharow: Oblomow

Ach Oblomow! Wir zwei hatten nicht denselben Vibe und auch kein gutes Timing. Du warst zu faul und hast dich deinem Müßig tun zu sehr hingegeben. Während ich auf der Arbeit und im Alltag einfach zu viel Stress hatte.

Zugegeben, zu Beginn fand ich dein Nichtstun noch herrlich unterhaltsam. Wie du über gute 100 Seiten nicht einmal einen Fuß aus dem Bett getan hast. Und du deinen armen Diener Sachar rumkommandierst und ihm die Schuld an allem gibst, das nicht erledigt ist. Da waren schon einige sehr lustig Szenen dabei.

Dann tauchte dein energischer Freund Stolz auf und schien dich etwas wachzurütteln. Als die gutmütige Olga sich in dich verliebt, hatte ich noch Hoffnung für dich. Obwohl ich nicht recht nachvollziehen konnte, wie man sich in so einen Faulpelz vergucken kann. In jemanden, der so gar keinen eigenen Antrieb hat? Obwohl man selbst in der Blüte seiner Jugend steht und die Welt sich gerade für dich öffnet. Am liebsten hätte ich ihr von Anfang an zugerufen, dass sie lieber das Weite suchen und ihr Herz an einen anderen vergeben soll. Aber die Liebe fällt eben, wohin sie will.

Wieder wurden alle Hoffnung, dass du Faulpelz die Kurve kriegst, enttäuscht. Du hast der armen Olga, die mit dir eine Zukunft aufbauen wollte, das Herz gebrochen. Keine Veränderungen, kein Aufrappeln. Stattdessen bist du immer weiter in deine Passivität abgerutscht. Du hast dir immer neue Ausreden zurechtgelegt, Oblomow. Du hast dich wieder in dein weiches Kissen zurücksinken lassen.

Und das war leider ansteckend. Denn auch ich musste deine Geschichte dann weglegen und konnte mir dein Rumgeeiere und deine Ausreden nicht mehr antun. Auch der „soziale Druck“ aus der Lesegruppe konnte da nicht mehr helfen. Du hast mich frustriert, Oblomow! Und mich in eine wochenlange Leseflaute geworfen.

Nach einigem Abstand habe ich die zweite Hälfte deiner Lebensgeschichte schließlich doch noch beendet. Aber ich war nur noch mit halben Herzen dabei. Bestätigt hat sich für mich dabei leider wieder der Eindruck, dass die großen russischen Romane mich irgendwie nicht recht abholen. Mir ist der Stil zu langatmig. Die Protagonisten sind oft schwer zugänglich. Ich habe normalerweise kein Problem mit langen Geschichten. Aber bei den russischen Klassikern zieht sich vieles wie Kaugummi. Die Autoren verlieren sich in endlosen Beschreibungen und philosophieren seitenweise vor sich hin. Da verliere ich auf langer Strecke die Geduld.

Und so haben wir beide unsere Reise beendet – du in deinem Bett und ich auf meiner Couch mit dem Blick auf den Stapel ungelesener Bücher, die mit hoffentlich wieder mehr mitreißen!

Facebooktwitterrssinstagram

Ein Kommentar

  1. Wunderbar geschrieben! Die Besonderheit russischer Klassiker, die du beschreibst, kann ich nachvollziehen. Es ist eine On/Off-Beziehung. Anna Karenina habe ich in einer Leserunde wegen des ganzen Gossips gefeiert, während der zweite Teil von Krieg und Frieden seit zwei Jahren darauf wartet, endlich zu Ende gelesen zu werden. Bulgakows „Die weiße Garde“ habe ich abgebrochen, Dostojewkijs „Schuld und Sühne“ dagegen gleich zweimal gelesen. Oblomow kenne ich noch nicht, aber mit dem nächsten russischen Klassiker warte ich besser, bis die Tage wieder heller und freundlicher werden. 😉 Viele Grüße!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert