Gabrielle Roy: Gebrauchtes Glück

Die Autorin Gabrielle Roy zählt zu den wichtigsten kanadischen Autorinnen der Nachkriegszeit und gilt als Vorreiterin der modernen und vor allem feministischen Literatur. Ihr Roman „Gebrauchtes Glück“ verkaufte sich allein in den USA über eine Dreiviertelmillion Mal. Darin schildert Roy ungeschönt das Leben einer mittellosen Familie in Saint-Henri /Québec. Im Zentrum stehen vor allem die Mutter Rosa-Anne und ihre älteste Tochter Florentine.

Armut, Arbeitslosigkeit und Hunger bestimmen den Alltag der Familie. Der Vater hat grade seinen Job als Schreiner verloren. Die Mutter ist zum elften Mal schwanger, kann kaum die Kinder ernähren und einkleiden, die da sind. Weil nicht genügen Stoff vorhanden ist, können die Kleinen nicht mal zur Schule gehen. Selbst das hart verdiente Geld, das Florentine beim Kellnern verdient, muss sie überwiegend an die Familie abgeben. 

Aber Florentine hat Träume: Sie will raus aus der Provinz. Will Geld haben. Einen Mann. Und glücklich sein. Ein Hoffnungsschimmer scheint der junge Schlosser Jean zu sein, der immer mit ihr flirtet. Doch auch Jean hat den Traum, durch ein Studium aus der Armut auszubrechen und davon will er sich nicht von einer Frau abbringen lassen. So lässt er sich auf Florentine kurzfristig ein und lässt sie dann schnell – und schwanger – fallen.

Gott, was hatte sie dieses Leben satt! Ungehobelte Männer bedienen, die sie mit ihren Avancen beleidigten, oder welche wie Jean Lévesque, deren Werbung vielleicht nur Ironie war. Bedienen, immer nur bedienen! Und dabei nie vergessen zu lächeln. Ununterbrochen lächeln, selbst wenn einem die Füße brannten, als würde man über glühende Kohlen laufen! Lächeln, selbst wenn einem die Wut wie ein schwerer, harter Klumpen im Hals lag! Lächeln, selbst wenn einem die schmerzenden Beine fast versagten!

Gabrielle Roy: Gebrauchtes Glück

In Florentines Mutter spiegelt Gabrielle Roy das Schicksal der Tochter wider. Auch sie folgte ihrem Mann vom Land in die Stadt in der Hoffnung, dass das Leben dort besser werden würde. Stattdessen ist sie inzwischen so abgestumpft, dass sie nicht mal mehr ihr krankes Kind im Krankenhaus besucht. Für beide Frauen gibt es keinen Ausweg in diesem trüben Leben.

Das Gefühl, dass sie durch den Verlust dessen, wonach sie sich so sehr sehnte, dessen, was ihr für kurze Zeit möglich erschienen war, garstig wurde, war heute Abend wie ein Stachel im Fleisch, so stark, dass Florentine sich am liebsten laut beklagt hätte. Aber wer würde ihre Klage hören? In diesem Haus waren sich doch alle fremd, ein jeder gefangen in seinen Träumen.

Gabrielle Roy: Gebrauchtes Glück

Gabrielle Roy zeichnet ein authentisches Bild der um 1940 herrschenden Arbeitslosigkeit in Québec. Sie zeigt die Korruption der Regierung auf, den starken Einfluss der Katholischen Kirche, die Weltwirtschaftskrise und auch der Zweite Weltkrieg wirft seine Schatten voraus.

Dabei nimmt Roy kein Blatt vor den Mund. Ihre Schilderungen sind ungeschönt, roh und man spürt die Armut, die Hilflosigkeit und Aussichtslosigkeit der Frauen. Natürlich lernen wir auch die Männer in der Familie Lacasse kennen: Allen voran wird das Bild des Vater gezeichnet, der in seiner Arbeitslosigkeit und in seinen Tagträumen aufgeht und nichts zur Verbesserung des Familienlebens beiträgt.

Die Stimmung des Romans ist insgesamt düster und drückend. Es ist ein wenig schwierig sich in die Personen einzufühlen. Zu abgehärtet sind sie vom Leben. Emotionen und offene Worte sind ein Luxus, den sie sich nicht leisten können. Und dennoch hat mich dieser Roman auf seine eigene Art sehr berührt, wenn er einen beim Lesen in diese Härte des Schicksal hinunterzieht.

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