Ein altes Haus am Hudson River

Edith Wharton: Ein altes Haus am Hudson River

“Ein altes Haus am Hudson River” (im engl. Original “Hudson River Bracketed”) ist ein Künstlerroman aus dem Jahr 1929. Die Hauptfigur Vance Weston, sehr jung und sehr naiv, will seinen Traum ein großer Schrifsteller zu werden verfolgen. Dafür löst er sich von seiner Familie aus der wohlhabenden Mittelschicht im biederen mittleren Westen und gelangt über Umwege nach New York. Wäre er allein dort angekommen, hätte er es vielleicht geschafft. Aber nein, er verfällt der noch jüngeren und kränkelnden Laura Lou, einer entfernten Verwandten, bei deren Familie er einen Sommer lang lebt. Ohne Zustimmung der Eltern nimmt er sie nach New York mit und heiratet sie. So schnell wie die Blitzhochzeit, kehrt dann auch die Ernüchterung ein. Laura Lou ist hingebungsvoll und sehr hübsch, aber sie kann geistig nicht mithalten. Darum ist sie für Vance eher ein Klotz am Bein. Es belastet ihn, dass er nie genug Geld verdient, um sie anständig zu versorgen.

New Yorks literarische Kreise vs. ärmliches Eheleben

Er ist hin- und hergerissen zwischen seinem Pflichtgefühl seiner Ehe gegenüber und seinem Drang nach Unabhängigkeit, um sich in New Yorks literarische Kreise zu stürzen und dort Material und Inspiration für seinen geplanten Roman zu finden. Zwar gelingt ihm ein erster kleiner Erfolg mit einem kurzen Debütroman, doch leichter wird sein Leben dadurch nicht. Hinzukommt dann noch eine andere Frau. Halo Tarrant, die Frau seines Chefs und Verlegers, unterstützt ihn tatkräftig bei seinen Schreibvorhaben, als gute Freundin, Muse, Beraterin und Kritikerin. Doch Vance möchte mehr von.

Darüber hinaus gibt es auch zahlreiche spannende Nebenfiguren, die unterschiedliche Stereotypen der amerikanischen und vor allem New Yorker Gesellschaft verkörpern. Somit lässt sich der Roman auch als Zeitzeugnis der damaligen intellektuellen Szene und gesellschaftlichen Veränderungen lesen. Für die moderne Marktmaschinerie steht vor allem der großspurige Self-Made-Mann Bunty Hayes, Vance Rivale um Laura Lous Liebe. Anfangs ein Niemand, reitet Bunty Hayse mit der Welle der Kommerzialisierung mit und wird zu einem reichen Geschäftsmann. Anfangs eine sehr unsympathische Figur, ist ausgerechnet er derjenige, der am Ende Vance seine Hilfe anbietet.

Die Grande Dame des amerikanischen Romans

Edith Wharton war sehr belesen und kannt nicht nur amerikanische, sondern auch alle wichtigen europäischen Schriftsteller und Philosophen. Darum sind in ihrem Roman auch sehr viele Andeutungen und Anspieleung, die in über 100 Fußnoten erläutert werden. “Ein altes Haus am Hudson River” ist also nicht nur ein Coming-of-Age-Roman oder Bildungsroman, sondern er nimmt auch aus philosophischer und soziologischer Sicht viele Aspekte unter die Lupe wie zum Beispiel das Thema Religion, verkörpert durch Vance Großmutter. Es ist ein vielschichtiger Roman, der auch in seiner schönen Sprache zeigt, dass Edith Wharton definitv eine Grande Dame der amerikanischen Literatur war.

Ich mochte ihr bildhafte Sprache sehr. Hier mal zwei Beispiele:

Vance’ Traum fiel krachend auf den Boden der Veranda und blieb dort liegen wie ein zersplitterter Regenbogen.

S. 23

Es gab Zeiten, da war seine Seele wie ein Wald, voller Schatten und Gemurmel, geheim und fern, ein Ort, wo man sich verirren konnte, fast zu furchterregend, um dort allein zu sein.

S. 51

Der Roman wurde erstaunlicherweise erst 2011 von Andrea Ott ins deutsche Übersetzt und im Manesse Verlag veröffentlicht. Leider, leider ist die Fortsetzung “The Gods Arrive” (1931) bisher überhaupt nicht auf Deutsch übersetzt worden. Ich fände es genial, wenn es ebenfalls noch übersetzt werden würde und von Manesse wieder mit so einem schönen Cover herausgebracht werden würde. Ansonsten muss ich es wohl irgendwann noch im englischen Original lesen. Kennt jemand von euch das Buch?

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