Joyce Carol Oates: Jene

In „Jene“ schildert Joyce Carol Oates ein kraftvolles und bewegendes Porträt einer Familie, die in einer Welt von Armut, Gewalt und sozialen Umbrüchen gefangen ist. „Jene“, das sind die weißen Slumbewohner. Es sind die Menschen aus den Armenvierteln des reichen Amerika, die sich nicht artikulieren können. „Jene“ macht Oates zu den Helden ihres Romans und erzählt die Geschichte einer Familie, die durch die Erlebnisse in Amerika von den dreißiger Jahren bis zu den blutigen Rassenunruhen in Detroit 1968 geprägt ist.

Der Roman beginnt 1937 mit der 16-jährige Loretta. Sie ist hübsch, lebenslustig und voller Zuversicht, dass ihr Leben glücklich und erfolgreich sein wird. Doch schon in derselben Nacht erschießt ihr Bruder ihren Liebhaber. Aber es sieht alles so aus, als hätte Loretta den Mann erschossen.

Angst und Verzweiflung treiben sie in eine übereilte Ehe, und sie gerät immer tiefer in die dumpfe Welt der Armen und Verlassenen. Trotz aller Widrigkeiten versucht sie, für ihre Kinder Jules, Maureen und Betty zu sorgen, doch die Hoffnungen auf ein besseres Leben bleiben unerfüllt.

Der charismatischer Jules wird in die Welt der Kriminalität und Gewalt verwickelt. Betty treibt sich schon früh mit den falschen Freunden rum und kommt fast gar nicht mehr nach Hause. Maureen ist die sensible und intelligente Tochter. Sie leidet unter der Last ihrer Familie und den eigenen inneren Dämonen. Sie versucht durch fleißiges Lernen und Büchern ihrem Umfeld zu entkommen. Doch auch sie ist zum Scheitern verurteilt.

Joyce Carol Oates zeichnet ein schonungsloses Bild der amerikanischen Gesellschaft und zeigt die tiefen Wunden und Herausforderungen, mit denen ihre Figuren konfrontiert sind. „Jene“ ist ein tragischer und deprimierender Roman. Und das hat mich beim Lesen auch oft ziemlich runtergezogen. Wir werden hineingezogen in diese zwei Generationen bestehend aus Vergewaltigungen, Morden, Schlägen, Rassismus, häuslicher Gewalt, Verlassenheit, Trauer, Rebellion, Untreue, Alkoholismus, Fettleibigkeit und Krebs.

Vor allem das Schicksal von Maureen hat mich beim Lesen lange sehr mitgenommen. Bis Oates sie gefühlt ein Stück weit hat fallen gelassen. Erst verfolgen wir ihr Schicksal seitenlang intensiv. Und dann werden viele Dinge einfach nur noch angedeutet oder darüber hinweggeschrieben. Bei den anderen Charakteren ist es ähnlich. Aber bei Maureen saß für mich der Schnitt am tiefsten. Mich hat es unheimlich gestört, dass diese Charaktere, mit denen ich mitfühlen soll, dann immer an den schlimmsten Stellen aus dem Blickfeld verschwinden.

Dadurch habe ich dann irgendwann auch ein Stück weit das Interesse an ihnen verloren. Vielleicht ist es genau das, was Oates wollte. Dass wir das Chaos und die Unbeständigkeit, das den Figuren widerfährt, auch spüren. Für mich hat es aber nur bedingt funktioniert. Auch das Oates sich selbst in die Geschichte geschrieben hat, wäre für mich nicht nötig gewesen. Das Buch ist definitiv nichts für Zartbesaitete. Es ist deprimierend und brutal – und das auf vielen Ebenen. Ganz klar: Für „Jene“ muss man schon in der Stimmung sein, um sich auf diese dramatischen Schicksale einzulassen.

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