Kürzlich war ich im Urlaub in der Schweiz und habe dort in einem Bücherschrank das „Quartett im Herbst“ von Barbara Pym entdeckt. Da Pym schon lange auf meiner Leseliste hatte, kam ich so ganz spontan zu meiner perfekten Lektüre für die freien Tage.
Die britische Autorin Barbara Pym lebte von 1913 bis 1980. Sie studierte Literatur in Oxford und arbeitete lange in London als Assistant Editor im Afrikanischen Institut. Bereits mit sechzehn Jahren schrieb sie ihren ersten Roman. Insgesamt sollten es dreizehn werden. „Quartett im Herbst“ wurde als erstes im Jahr 1977 veröffentlicht und Pym wurde dafür mit dem Booker-Preis nominiert. Als ihr bekanntestes Buch gilt der Sittenroman „Vortreffliche Frauen“ aus dem Jahr 1952, der 2015 zu einem der bedeutendsten britischen Romane gewählt wurde.
In „Quartett im Herbst“ widmet sich Barbara Pym dem Leben ihrer vier Hauptcharaktere Letty, Marcia, Edwin und Norman. Die vier sind Angelstellte im gleichen Büro und teilen dort Arbeitsalltag und Kaffeekanne. Und vor allem haben sie eines gemeinsam: Sie sind einsam! Keiner von ihnen ist verheiratet, nur Edwin ist Witwer. Im Büro tauscht sich das Quartett über alle Probleme, Sorgen und schönen Dinge des Alltags aus. Doch außerhalb der Bürowände haben sie nichts miteinander zu tun und bleiben auf Distanz. Und nun steht auch noch Lettys und Marcias Pensionierung bevor, wodurch sich die Dynamik der Gruppe plötzlich verändert…
Die gutmütige Letty hat Pläne mit ihrer Langzeit-Freundin Marjorie aufs Land zu ziehen, aber die Idee zerschlägt sich, als Marjorie plötzlich mit einem Mann zusammen kommt. Marcia ist total überfordert mit der vielen Freizeit, die sie auf einmal hat. Edwin und Norman sehen sich zwar noch im Büro und grübeln, was die beiden „Mädels“ wohl in ihrer Freizeit machen. Aber ansonsten ist Edwin beschäftigt mit seiner Kirchengruppe. Und Norman besucht meist seinen Schwager – also den Ehemann seiner Schwester, die aber schon längst verstorben ist und der inzwischen mit einer anderen Frau leiert ist und Normans Besuche nicht unterbindet, weil dieser so einsam ist.
Am liebsten würde man beim Lesen diese vier Charaktere von Barbara Pym einfach mal feste schütteln, damit sie aufwachen. Gelähmt vor lauter Einsamkeit und gefangen in ihren schrulligen Routinen des Alltags können sie nicht erkennen, dass ihr Büro-Kollektiv eigentlich perfekt funktioniert. Sie könnten sich wunderbar außerhalb der Arbeit treffen. Doch können sie sich nicht dazu durchringen, weil sie sich selbst merkwürdigen Regelungen unterwerfen.
Diese Geschichte von Barbara Pym schleicht ruhig voran. Wer Aktion und viel „offensichtliche“ Handlung braucht ist hier fehl am Platz. Es ist eine melancholische Erzählung über das alt werden, über Einsamkeit, das Verlieren von Freundschaften und die Frage nach dem eigenen Platz im Leben.
Oft konzentriert man sich auf die jungen Menschen, wie diese ihren Weg meistern müssen ins Leben. Aber was ist, wenn man älter wird? Und die Dinge vielleicht nicht so gelaufen sind, wie man sich es vorgestellt hat? Wenn man aber auch schon so festgefahren ist in seinen Charakterzügen oder alltäglichen Abläufen.
Aber Pym schafft es trotz des auch oft traurigen Hergangs einen Hauch Witz und Ironie mit einzuflechten. So wird ihr kleines Büchlein zu einer wundervollen Charakterstudie dieser älteren Herrschaften, die mir, trotz ihrer verrückten Schrulligkeiten beim Lesen total ans Herz gewachsen sind.
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