Ken Follett: Sturz der Titanen

Drei Länder. Drei Familien. Ein Jahrhundert. So fasst Bastei Lübbe den ersten Band der Jahrhunderttriologie von Ken Follett kurz und knackig zusammen. Dabei hat Follett sich mit dieser Reihe etwas großes vorgenommen. Quasi die Geschichte des ganzen 20. Jahrhunderts in drei historische Romane verpackt, die jeweils um die 1.000 Seiten stark sind. Wer schon Romane von Follett kennt – und vielleicht so wie ich ein großer Fan von Die Säulen der Erde war – weiß, dass man sich hier auf spannende, gut recherchierte historische Fakten in einem packenden Familienroman freuen kann.

Alles beginnt im Jahr 1914. Noch herrscht Frieden in Europa und in der Welt. Wir lernen die Familie Williams kennen, die in Wales als Bergarbeiter ihr Geld verdienen. Sohn Billy steht kurz davor seinen ersten Tag in der Miene zu absolvieren. Seine große Schwester Ethel arbeitet als Dienerin im Haus von Earl Fitzherbert. In den sie sich nach und nach verliebt, eine Affäre mit ihm anfängt und schließlich schwanger wird. Doch dann lässt der Earl sie wie eine heiße Kartoffel fallen – schließlich darf niemand wissen, dass er sich mit den Angestellten eingelassen hat. Und so muss sich Ethel als alleinerziehende Mutter durchschlagen und setzt sich fortan für die Frauenrechte ein und schließt sich der Suffragettenbewegung an.

Ebenso emanzipiert wie Ethel gibt sich Lady Maud, die Schwester von Fitzherbert. Auch sie kämpft für die Frauenrechte – allen voran das Wahlrecht. Maud verliebt sich in Walter von Ulrich, Sohn einer deutschen Adelsfamilie und Schulfreund von Fitz. Walter ist Militärattache der deutschen Botschaft in London, also gut über alle politischen Vorgänge im Bilde. Doch Maud und Walters Liebe steht unter keinem guten Stern. Denn als sie kurz davor sind sich zu verloben, braut sich ein politisches Gewitter zusammen und der Ausbruch des 1. Weltkrieges steht kurz bevor.

Und dann sind da noch Grigori und Lew Peschkow. Die beiden Brüder wachsen als Waisen in  St. Petersburg auf, nachdem die Mutter am Petersburger Blutsonntag 1905 umgebracht wurde und der Vater als angeblicher Dieb gehängt wurde – ausgerechnet von Fürstin Beas Vater – die wiederum inzwischen mit Earl Fitzherbert verheiratet ist. Man merkt also schnell, dass alle Figuren indirekt oder direkt miteinander verwoben sind. Lew ist ein Lebemann, der sich gern mit schönen Frauen und Alkohol umgibt, was ihm ständig Ärger einbringt. Grigori hat stattdessen die Vaterrolle in der Familie übernommen, kümmert sich um seinen Bruder, spart Geld, um in die USA zu immigrieren und seinen Bruder schnellstmöglich nachzuholen. Doch der Plan geht schief. Lew steckt in der Patsche und muss verschwinden, also opfert Grigori sein Schiffsticket, um seinen Bruder zu schützen. Lew schafft es über Umwegen in die USA, aber Grigori muss schließlich für Russland in den Krieg ziehen.

Handlung spannt sich einmal um den Globus

Über dieses breite Spektrum an Charakteren schafft Follett es, die Handlung um den ganzen Globus zu spannen. Gleichzeitig sind alle Figuren aus unterschiedlichen Schichten, sodass wir als Leser das politische Geschehen und die Kriegswirren aus allen sozialen Perspektiven beleuchtet bekommen. Und es ist nicht nur der 1. Weltkrieg der hier im Vordergrund steht, nein, wir bekommen Aufstände in Russland mit, den Kampf der Bergarbeiter, um vernünftige Ausrüstung und gute Bezahlung, die Kämpfe um die Gleichberechtigung der Frauen.

Beeindruckend, wir Follett hier alle Handlungsstränge gekonnt führt und in das tatsächliche Zeitgeschehen eingefügt hat. Man kann nur erahnen, wie viel Recherchearbeit hinter den zahlreichen einzelnen Details steckt. Dabei sagt Follett selbst im Nachwort seiner Geschichte, dass alles auf „Wahrscheinlichkeiten“ beruht. Er prüfte beim Schreiben, ob historische Personen wirklich zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten gewesen sind, Zitate, die er Churchill, Lenin und Co in den Mund legt, hat er entweder aus belegten Quellen oder Reden entnommen. Zudem wirkt es nie so, als ob Follett für eine bestimmte Macht Partei ergreift. Seine Berichterstattung scheint vorurteilsfrei, jedes Volk hat seine Beweggründe, jeder seiner Charaktere einen Grund für sein Handeln.

Gut, zugegeben, manchmal wird es etwas kitschig, wenn die verliebten Protagonisten sich näher kommen. Aber das darf, meiner Meinung nach, auch mal sein. Follett schreibt ja historische Romane und keine Geschichtsbücher voller Fakten. Und schließlich sind Macht, Politik, Hass, Krieg und Liebe ja der wesentlichen Dinge, die die Menschheit prägen. So wünscht man sich nach über 1.000 Seiten, gleich den nächsten Teil zur Hand zu nehmen, um zu erfahren, wie es mit den Figuren weitergeht.

 

 

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4 Kommentare

  1. Hey,

    ich habe das Buch auch gelesen und war begeistert. Mir geht es bei so dicken Büchern oft erst einmal so, dass so viele Seiten irgendwie doch ein bisschen abschreckend wirken. Aber hinterher sind dann genau diese Bücher die, die im Kopf bleiben. Man lernt die Figuren doch viel intensiver kennen als es bei 400 Seiten Büchern der Fall ist.

    Gerade bei „Sturz der Titanen“ die unterschiedlichen Schichten und Länder, das alles angemessen wiedergeben zu können, wäre mit 400 Seiten ja unmöglich gewesen.

    Gruß Jessica

    1. Hey Jessica,
      ich finde auch, es lohnt sich meistens in solche dicken Schinken abzutauchen. Ich lerne Protagonisten gerne besser kennen und fühle mich in sie hinein. Im besten Fall sind sie ein bisschen so wie Freunde, die man nach und nach gut kennenlernt. Deshalb mag ich auch Short Stories oft nicht so gerne. Weil man sich grade eingewöhnt hat, die Figur kennenlernt – und schwupps ist schon wieder alles vorbei.

      Viele Grüße
      Britta

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