Ein sehr ungewöhnlicher und langer Buchtitel! Toll! Er lässt kaum erahnen, worum es in dem Roman geht. Doch dieser Satz steht schon auf den ersten Seiten des Buches und klärt uns Leser auf. Die Ich-Erzählerin beschreibt die Geburt ihrer Tochter. Sie versucht im Krankenhaus die unerträglichen Schmerzen wegzudenken und stellt sich vor in einem Wald zu stehen.
Die Ich-Erzählerin ist Schriftstellerin und erzählt ihrer neugeborenen Tochter ihre Lebensgeschichte. Dabei wechseln sich Gegenwart und Vergangenheit ab. Mal beschreibt sie, wie sie gerade am Laptop arbeitet, während das Baby im Tragetuch an ihrer Brust schläft, und welche Gedanken ihr dabei so durch den Kopf gehen. Dann fängt sie wieder an von ihrer Vergangenheit zu erzählen: Wie sie den Vater ihrer Kinder kennengelernt hat und aus welch dunkler Vergangenheit er sie gerettet hat. Sie hat einiges durchlebt, von Depression bis zu einem toten Ex-Freund, der Alkoholiker war. Das folgende Zitat fasst es ganz gut zusammen:
„Ich gehe im Dunkeln am Fluss entlang, und erinnere mich daran, wie es ist, ich zu sein, letzten Endes bin ich ja einfach nur ich. […] Ich habe dir erzählt, wie dein Vater und ich zusammenkamen, es ist natürlich keine sonnige Geschichte, keine Geschichte, die ich dir erzählen wollte, sie ist das Gegenteil dessen, was ich dir erzählen wollte, aber zum Glück haben nicht nur sonnige Geschichten ein gutes Ende.“ (S. 121)
Sorgen und Ängste einer jungen Mutter
Der frischgebackenen Mutter geht es bei dem Prozess des Aufschreibens natürlich auch darum, sich nicht selbst zu verlieren, sondern ihren Beruf und ihr Familienleben unter einen Hut zu bringen. Diese Situation kennen viele Frauen nur allzugut. Existenzielle Kernthemen kommen dabei auf: Wie kann sie eine gute Mutter sein, die ständig um ihre Kinder besorgt ist, und trotzdem ihr Dasein als Autorin voll ausleben? Wie kam es überhaupt dazu, dass sie plötzlich Kinder haben wollte? Und wie führt man eine glückliche Beziehung? Eine Frage, die sie auch am Schluss nicht beantworten kann. Und genau das macht die Geschichte so authentisch, ehrlich und glaubwürdig. Denn solche Gedanken, Ängste und Sorgen kennen viele von uns. Das alles wird in einem sehr einfühlsamen Ton erzählt, der mich als Leserin wirklich berührt hat. Die Erzählung ist so glaubwürdig und empathisch, dass ich mich jetzt Frage, ob es autobiografisch oder wirklich reine Fiktion ist?! Ich habe ein wenig recherchiert, konnte aber nicht wirklich etwas herausfinden.
Mich hat der Roman jedenfalls total mitgenommen. Vermutlich, weil ich mich als junge Mutter sehr gut in die Lage hineinversetzen kann und mir viele Situationen aus dem Alltag bekannt vorkommen. Ich denke, es ist daher wirlich eher ein Werk für junge Eltern als Lesergruppe.
Literatur aus Norwegen
Die Autorin Kjersti Annesdatter Skomsvold, geboren 1979 in Oslo, zählt zu den wichtigsten norwegischen Autorinnen der Gegenwart. Nachdem Norwegen Gastland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse war, wollte ich mich mehr mit Literatur aus diesem Land beschäftigen. In der Verlagsvorschau von Hoffmann und Campe habe ich dann schließlich dieses Büchlein entdeckt und mich sofort entschieden, es zu lesen. Ich höre bei sowas immer auf mein Bauchgefühl und es hat mich auch diesmal wieder nicht enttäuscht! Meine Gedanken stehen unter einem Baum und sehen in die Krone ist erst im September auf Deutsch erschienen und schon das dritte Buch von Kjersti A. Skomsvold. Im norwegischen Original heißt das Buch übrigens einfach nur „Kind“, was ich auch sehr passend finde.