In seinen neusten zwanzig zamonischen Flabeln entführt uns Walter Moers erneut in die magische Welt Zamoniens. Diesmal aber in Form von Flabeln – kurzen, humorvollen Geschichten ohne Moral, die sich um skurrile Wesen und ihre absurden Identitätskrisen drehen. Da gibt es zum Beispiel ein Einhörnchen, das rückwärts leben möchte, eine fleischfressende Pflanze, die lieber Vegetarierin wäre, oder zwei Vampirgeier, die sich weigern, Aas zu fressen. Die Bewohner Zamoniens haben alle ihre Eigenarten – und genau diese kuriose Vielfalt macht den Reiz des Buches aus.
Einige der Flabeln fand ich wirklich großartig. Besonders die längeren Geschichten, die mehr Raum für Charakterentwicklung und verrückte Ideen ließen, haben mir gut gefallen. Moers schafft es immer wieder, uns bekannte Figuren wie Rumo, Blaubär und Echo einzubauen, was für mich als langjährigen Zamonien-Fan ein tolles Wiedersehen war. Diese kleinen Anspielungen auf frühere Romane sorgen dafür, dass man sich in der Welt sofort wieder heimisch fühlt.
Leider gibt es auch kürzere Fabeln, die mich weniger überzeugt haben. Hier fehlte mir manchmal die Tiefe und der schräge Humor, den ich sonst so sehr an Moers schätze. Sie plätscherten ein wenig dahin, ohne bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Dennoch fand ich das Gesamtwerk unterhaltsam, auch wenn es nicht durchgängig auf höchstem Niveau erzählt ist.
Was bei Walter Moers immer heraussticht, sind die Illustrationen. Das ist auch hier der Fall. Seine detailreichen Zeichnungen machen jede Flabel lebendig und laden dazu ein, sich in den skurrilen Details zu verlieren. Visuell ist das Buch definitiv ein Genuss und zeigt Moers’ unverwechselbaren Stil.
Die Kritik, dass die Geschichten alle so brutal seien, kann ich nicht wirklich teilen. Moers war schon immer gut darin, skurrilen Humor mit düsteren Wendungen zu verbinden. Und wenn man an die ursprünglichen Grimmschen Märchen denkt, dann sind diese auch oft sehr blutig. Vielleicht sind wir nur durch die weichgespülten Disney-Versionen anderes gewöhnt.
An mein absolutes Lieblingsbuch kommt „Das Einhörnchen, das rückwärts leben wollte“ leider nicht ganz heran – die Messlatte liegt da einfach sehr hoch. Aber trotzdem ist es immer wieder faszinierend, wie er neue Wesen erfindet und uns in seine einzigartige Welt hineinzieht.
„Das Einhörnchen, das rückwärts leben wollte“ ist für mich daher eine unterhaltsame Sammlung für eingefleischte Zamonien-Fans, mit fantastischen Illustrationen und verrückten Ideen. Es ist jedoch nicht das stärkste Buch von Walter Moers und nicht unbedingt der beste Einstieg in sein Werk.