Manchmal liest man ein Buch, das einen ganz still zurücklässt. Die Gabe ist so ein Buch. Es erzählt von einer Mutter und einer Tochter, die einander fremd sind und doch nicht voneinander loskommen. Die Mutter, einst Sängerin, jetzt sterbenskrank, zieht in die winzige Wohnung ihrer Tochter. Die Tochter, eine Hostess in Tokios Rotlichtviertel, nimmt sie widerwillig auf. Beide sind Frauen, die in ihrer Welt keinen Platz finden. Und beide haben ihre Wunden – die sichtbaren, die in Form von Tattoos die Haut der Tochter bedecken, und die unsichtbaren, die tiefer sitzen.
Suzumis Schreibstil ist nüchtern und präzise, aber gerade das macht die Geschichte so intensiv. Vieles bleibt unausgesprochen, vieles wird nur angedeutet. Das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter ist von Gewalt und Zurückweisung geprägt, doch es gibt auch Momente der Nähe. Wie viel ist man bereit zu geben für einen Menschen, den man lieben sollte, aber vielleicht nie wirklich geliebt hat?
Mich hat das Buch sehr berührt, aber auch beklemmt. Es erzählt von Einsamkeit, Trauer und einem Leben, das keinen großen Sinn mehr zu haben scheint. Die Protagonistin ist gefangen zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart, zwischen Selbstbehauptung und Selbstverlust. Es gibt keine Erlösung, keine große Erkenntnis – und genau das macht das Buch so glaubwürdig.