Peter Stamm: In einer dunkelblauen Stunde

Bisher kannte ich von Peter Stamm nur seinen ersten Roman „Agnes“, der bereits 1998 erschient. Ich kann mich erinnern, dass ich diesen sprachlich unheimlich intensiv und einfühlsam fand. Als ich nun gesehen habe, dass Stamm zu seinem 60. Geburtstag einen neuen Roman veröffentlicht, fand ich das einen tollen Anlass, mal wieder ein Buch von dem Schweizer Autor zu lesen.

Der Roman „In einer dunkelblauen Stunde“ fällt wohl etwas aus dem Gesamtwerk von Stamm heraus.  Er ist als Ergänzung zu sehen, zu dem Film “Wechselspiel”, den es auf Y oder SRF in der Mediathek zu sehen gibt, in dem Peter Stamm mit den beiden Hauptfiguren aus seinem Buch, Andrea und Thomas (gespielt von Aenne Schwarz und Max Simonischek). über sein Schreiben spricht. Wobei ich den Film bisher zugegeben auch noch nicht gesehen habe.

Peter Stamm schickt Dokumentarfilmer auf die Suche nach dem Autor

Die Dokumentarfilmerin Andrea und ihr Kameramann und Partner Thomas wollen in dem Roman eine Dokumentation über den Schriftsteller Richard Wechsler drehen. Aber Wechsler ist nicht wirklich kooperationsfreudig. Er kommt nicht oder zu spät zu den Drehterminen. Wirklich tiefgründige Aussagen trifft er nur, wenn die Kamera aus ist. Das Projekt ist zum Scheitern verurteilt. Und schließlich dreht die Produktionsfirma den Geldhahn ab. Kurz danach verstirbt Wechsler.

Mit dem Aus des Films scheint auch Andreas Karriere gescheitert. Aber der Autor und sein Leben lassen sie nicht los. Und so beschließt sie, noch einmal auf Spurensuche zu gehen und findet dabei Wechslers große Jugendliebe, die ihn zu vielen seiner Bücher inspiriert hat.

„In einer dunkelblauen Stunde“ ist ein ruhiges Buch. Es gibt keine zu große Handlung oder Spannungsbögen. Vieles spielt sich nur in den Gedanken von Andrea ab, die durch die Treffen mit Wechsler und seiner Jugendliebe Judith immer wieder neue Denkanstöße bekommt. Einiges sind auch nur Phantasien. Rückblicke, Aktuelles und Phantasien verwischen hier immer wieder. Judith hinterfragt nicht nur Wechsler, sein Werk und seine Motivation zum Schreiben, sondern auch ihr eigenes Leben und wo dieses noch hinführen soll. Doch obwohl man beim Lesen quasi in Andreas Kopf drin steckt, konnte ich mich nicht so recht in sie hineinfühlen. Vielleicht waren es die vielen Filmanspielungen und Andreas Art, die Welt durch eine Kameralinse zu sehen.

Was ist wahr und was ist Fiktion?

Wunderschön und kunstvoll ist dagegen Peter Stamms Stil. Träumerische und Meditativ fühlt sich das an. Gleichzeitig schaff Stamm mit klaren und schlichten Worten einen sprachlichen Sog zu kreieren und Gedanken in nachhallenden Sätzen zu verpacken. „Bücher kommen uns sehr nah, sagt Wechsler, viel näher als Bilder oder Filme. Sie kriechen in unsere Köpfe, verändern unsere Gedanken, wecken Bilder, erzeugen Phantasien.“ So fasst der Autor Wechsler die Wirkung dieses Buches eigentlich perfekt zusammen.

Spannend ist hier auch die Frage, wie viel von Stamm steckt vielleicht in Wechsler? Oder eben auch nicht? Wenn Wechsler in der Geschichte immer wieder betont, dass seine Figuren nicht ihn und seine Jugendliebe widerspiegeln. – Die dann doch von Andrea gefunden wird.

Ich bin für meine Texte als Person nicht relevant, sagt er dann, ich bin nur das Auge, das sieht, das Ohr, das hört, die Hand, die schreibt, der Körper, der empfindet, nichts mehr.

Peter Stamm: In einer dunkelblauen Stunde

So schafft „In einer dunkelblauen Stunde“ es, zahlreiche spannende Ideen und Aspekte heraufzubeschwören. Aber durch die Distanz zu den Figuren konnte mich das Buch nicht komplett catchen und an den bleibenden Eindruck von Stamms Roman Agnes herankommen.  

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