Nathaniel Hawthorne: Das Haus mit den sieben Giebeln

Ein düsteres Haus mit sieben Giebel, eine schrullige alte Dame als einzige Bewohnerin und ein dunkles Familiengeheimnis – schon hat Nathaniel Hawthorne drei perfekte Zutaten für einen Schauerroman vermischt und hält seine Leser in Bann. Denn auf dem merkwürdigen Haus lastet ein Fluch, seine Geschichte fußt auf einer dunklen Vergangenheit.

Colonel Pyncheon, der Erbauer des Hauses, hat vor 160 Jahren das Grundstück seinem eigentlichen Besitzer, Matthew Maule, abgeluchst, indem er ihn wegen Hexerei anklagen und schließlich hinrichten ließ. Im Zeitalter des Puritanismus in Amerika keine Seltenheit. Bei der Einweihungsfeier des neuen Hauses stirbt Colonel Pyncheon jedoch überraschend, so dass er selbst nicht mal in den „Genuss“ seines neuen Heims kommt. Doch seitdem herrscht ein immerwährender Streit zwischen den Familien Pyncheon und Maule, denen beide schwere Zeiten bevorstehen.

Die Haupterzählung ist allerdings fast zwei Jahrhunderte später angesiedelt. Inzwischen wohnt die alte Hepzibah Pyncheon im Haus mit den sieben Giebeln. Die Familie ist so verarmt, dass Hepzibah einen kleinen Laden im Haus eröffnen will – doch die Dorfbewohner gruseln sich so sehr vor ihr, dass kaum jemand dort einkaufen möchte. Hepzibahs Bruder Clifford wurde wegen Mordes an seinem Onkel verurteilt und kehrt nun nach 30 Jahren Gefängnis als gebrochener Mann zu seiner Schwester zurück. Fast wie ein Phantom wandelt er durch die Korridore, ständig brabbelnd, ohne, dass man sich sicher sein kann, ob er überhaupt weiß, was er da redet. Als wäre das Schicksal der Geschwister so schon nicht traurig und skurril genug, gibt es da noch den fiesen Cousin Jaffrey Pyncheon, Sohn des toten Onkels. Tyrannisch, herrschsüchtig, nur auf seinen Vorteil bedacht, erscheint er der wahre Erbe des Colonels zu sein – und nach und nach kommt raus, dass er nicht nur hinter dem Haus sondern auch hinter einem versteckten Schatz her ist. Dabei geht er selbst vollkommen rücksichtslos gegen seine Familienmitglieder vor.

Einziger Hoffnungsschimmer der Geschichte: Phoebe Pychncheon – eine Cousine vom Land, die, weit weg vom Familienfluch und den verkorksten Verwandten – vor Lebensfreude zu strahlen scheint und mit ihrem Besuch wieder etwas Licht und Hoffnung in das Haus bringt. Mit ihrer Ankunft scheinen Clifford und Hepzibah wieder etwas aufzublühen und etwas Lebensmut zu schöpfen. Doch als Phoebe dann für einige Tage das Haus verlässt, droht das gesamte Unglück die Familie wieder einzuholen…

Eigentliche Hauptfigur des Romans ist aber das titelgebende Haus, das mit seinem Äußeren den Verfall seiner Inhaber widerspiegelt – und zwar nicht nur den monetären sondern vielmehr den moralischen Verfall. Selbst der Garten ist mit Unkraut überwuchert und verwildert, das Sommerhaus darin zerfallen. Erst Phoebe und der mysteriöse Untermieter Holgrave, der eines der Dächer bewohnt, bringen den Garten wieder in Ordnung und zum Blühen, das Sommerhaus wird repariert und selbst die letzten, zuvor kränklich aussehenden Hühner scheinen unter der Pflege von Phoebe aufzublühen. Inspiration für das Haus mit den Siebeln soll das Haus seiner Cousine Susannah Ingersoll in Salem sein. Hawthorne war dort oft zu Besuch und verwendete dies als Vorlage zu seinem Roman.

Wie bei vielen seiner Short Stories und Romane hat auch „Das Haus mit den Sieben Giebeln“ einen starken Bezug zur Geschichte seines Autors. Nathaniel Hawthorne stammt – wie die Pyncheons – aus einer alten Puritanerfamilie. Sein Ururgroßvater war Richter bei den Hexenprozessen von Salem im Jahr 1692. Hawthornes Kritik gegen die Hexenjäger und somit auch seine Vorfahren ist in den meisten seiner literarischen Werke spürbar. So auch hier. Ganz deutlich dafür steht Colonel Pyncheon, den man gut und gerne als Variation von Hawthornes Ururgroßvater sehen kann. Und auch die Figur des Richter Pyncheon, der letztlich wie eine Wiedergeburt seines Roman-Vorfahrens wirkt, zeigt eine eindeutige Haltung gegenüber dem fanatischen Puritarismus. Klar muss man bei diesen Fakten gleich auch an Erbsünde denken. Selbst Jahrhunderte nach der Tat von Colonel Pyncheon konnte sich die Familie nicht von seinen Sünden rein waschen.

Spannend ist aber auch die Tatsache, dass Hawthorne schon fast mit dem Leser spielt, wenn es darum geht, seine Charaktere zu „erkennen“. So entpuppt sich die schrullige Hepzibah, die fast schon wie die böse Hexe aus dem Märchen wirkt, eigentlich als liebe, alte, eingeschüchterte Frau. Richter Pyncheon hingegen, mit seinem angesehen Berufsstand und dem ständigen (fadenscheinigen) Lächeln im Gesicht, soll sich im Laufe der Geschichte als eigentlicher Unhold herausstellen.

Für mich persönlich „Das Haus mit den Sieben Giebeln“ ein absolutes Lese-Muss. Denn hier kamen gleich drei Dinge zusammen, die alle mit Uni-Seminaren zu tun haben, die ich belegt hatte: 1. Nathaniel Hawthorne als Autor. 2. dass die Geschichte einer Gothic Novel gleicht – eines meiner Abschlussprüfungsthemen. Und 3. Die Rolle des Mesmerismus in diesem Roman, da ich auch einmal ein Seminar zu Parapsychologie in der Literatur besucht habe. Aber ich denke, auch für jeden anderen Liebhaber klassischer Literatur ist Hawthornes Roman ein absolutes muss, da er mit seinen Werken einer der Vertreter der dunklen amerikanischen Romantik zählt. Den meisten ist er sicherlich durch „Der scharlachrote Buchstabe“ bekannt, aber ich finde, auch seine anderen Romane und Short Stories sind definitiv nicht zu unterschätzen!

Vielen Dank an den Manesse Verlag für das Rezensionsexemplar!

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2 Kommentare

  1. Und wieder ein Buch für meine Wunschliste gefunden. Ich bin ja auch so ne Gruseltante und liebe solche Romane. Vielen Dank für die tolle Rezi, die mich sehr neugierig gemacht hat!

    1. Hallo Auroria,

      schön, dass ich dich für Hawthrone begeistern konnte. Ich bin ja auch ein absoluter Liebhaber von Schauerromanen. Ich kann dir auch die Romane von Ann Radcliffe ans Herz legen.

      Viele Grüße
      Britta

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