Jo Leevers: In den Augen meiner Mutter

Jo Leevers erzählt in In den Augen meiner Mutter eine Geschichte, die unter die Haut geht. Es ist ein Roman über das Verschwinden, über das Schweigen, über die Lücken in der Erinnerung – und darüber, wie man versucht, sie zu füllen.

Georgie ist 32 und hochschwanger, als sie in einem Zeitungsartikel das Bild ihrer Mutter entdeckt. Nancy war vor zwanzig Jahren einfach verschwunden – ohne Erklärung, ohne Abschied. Jetzt, da Georgie selbst Mutter wird, drängt sich die Vergangenheit mit aller Macht zurück. Zusammen mit ihrem Bruder Dan, mit dem sie seit Jahren keinen Kontakt hatte, macht sie sich auf den Weg in die schottischen Highlands, um Antworten zu finden.

Die Reise ist nicht nur geografisch, sondern auch emotional. Erinnerungen tauchen auf, alte Wunden brechen wieder auf. War ihr Vater wirklich der Held, für den sie ihn gehalten hat? Und war es vielleicht Georgies Schuld, dass Nancy gegangen ist? Der Roman springt zwischen Zeiten und Perspektiven: Wir erfahren nicht nur Georgies Sicht, sondern auch Nancys Geschichte – ihre Kindheit, ihre Ehe, ihre Flucht. Und langsam entsteht ein Bild, das komplexer ist als erwartet.

Was mir gefallen hat: Die Rückblicke sind eindringlich und feinfühlig erzählt. Nancy ist keine klassische „Rabenmutter“, sondern eine Frau, die selbst verletzt wurde und irgendwann nicht mehr konnte. Ihre Szenen in der Gegenwart – unterwegs mit ihrer Hündin Bree, auf der Flucht vor sich selbst – sind besonders berührend.

Was mich gestört hat: Der Roman will manchmal zu viel. Die vielen Zeitsprünge, die dramatischen Wendungen, der Tod eines Freundes, die familiären Konflikte – das wirkt stellenweise überfrachtet. Manche Figuren bleiben blass, manche Dialoge etwas konstruiert. Aber das Herz der Geschichte – die Sehnsucht nach Versöhnung – bleibt spürbar.

In den Augen meiner Mutter ist kein perfekter Roman, aber ein ehrlicher. Er fragt, was es heißt, Mutter zu sein – und Tochter. Und ob man sich selbst finden kann, wenn man die Wahrheit über die eigene Herkunft kennt.

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