„Orangen sind nicht die einzige Frucht“ ist kein gewöhnlicher Coming-of-Age-Roman. Und Jeanette Winterson ist keine Autorin, die gewöhnlich erzählt. Sie nimmt uns mit in ihre Kindheit in einer streng religiösen, pfingstlerischen Gemeinde in Nordengland. Dort wächst Jeanette bei einer Adoptivmutter auf, die überzeugt ist, Gott habe sie für Großes auserwählt. Und dass das Leben sich gefälligst in klare Kategorien fügen muss.
Doch Jeanette passt nicht in diese Schubladen. Als sie entdeckt, dass sie Frauen liebt, kollidieren ihre Gefühle mit dem engen Weltbild ihrer Familie und der Gemeinde. Die Reaktionen sind hart, oft grausam, und Winterson beschreibt diesen Konflikt mit einer Mischung aus Witz, Zorn und poetischer Bildsprache.
Besonders faszinierend fand ich, wie sie die lineare Erzählung immer wieder durchbricht mit Märchen, Mythen und allegorischen Einschüben. Diese wirken auf den ersten Blick schräg, aber spiegeln subtil ihre innere Welt . So entsteht ein vielschichtiges Bild davon, wie es ist, aus einer Gemeinschaft ausgestoßen zu werden und dennoch nach einem Platz im Leben zu suchen.
Winterson schreibt scharf, manchmal ironisch, manchmal herzzerreißend. Der Humor ist oft trocken, aber immer auf den Punkt. Gleichzeitig ist da diese Wärme, die von ihrer Selbstbehauptung und Selbstfindung ausgeht – und der Erkenntnis, dass Liebe nicht weniger wert ist, nur weil sie nicht in die Dogmen anderer passt.
Ein Roman über Religion, Rebellion und Selbstbestimmung – und darüber, dass es, wie der Titel schon sagt, im Leben immer mehr als nur eine „Frucht“ gibt.



