Die Belagerung von Krishnapur ist klug, scharfzüngig und gleichzeitig unterhaltsam. Farrell nimmt sich die britische Kolonialherrschaft in Indien vor – und demontiert sie mit bitterem Humor. Im Zentrum steht eine britische Siedlung, die plötzlich von indischen Rebellen belagert wird. Was folgt, ist eine Mischung aus Chaos, absurden Überlebensstrategien und der bröckelnden Fassade britischer Überheblichkeit.
Besonders faszinierend fand ich, wie Farrell mit seinen Figuren spielt. Da sind der steife Magistrat, der unbeirrt an den Fortschritt glaubt, der Priester, der mit der Realität hadert, und die adligen Damen, die sich erst empören, dann anpassen. Jeder verteidigt seine Ideale – bis der Hunger, die Cholera und die Kanonenkugeln ihren Tribut fordern. Die feinen britischen Manieren werden nach und nach von der Wirklichkeit überrollt.
Farrell schreibt bissig, aber nie platt. Es gibt Szenen, die einen schmunzeln lassen, und andere, die einem den Atem stocken lassen. Die Mischung aus Ironie und Tragik hat mich an Joseph Conrad oder sogar an Evelyn Waugh erinnert. Die Belagerung von Krishnapur ist ein Kolonialroman, der keiner sein will – weil er die koloniale Welt nicht verherrlicht, sondern genüsslich seziert.
„Die Belagerung von Krishnapur“ der zweite Band von Farrells „Empire Triologie“. Die anderen Bände „Troubles“ und „Singapur im Würgegriff“ haben ähnliche Thematiken – hauptsächlich den Verfall des Britischen Empires. Aber sind als alleinstehende Geschichten lesbar. Troubles hat mir schon unheimlich gut gefallen. „Die Belagerung von Krishnapur“ kann daran definitiv anknüpfen. Und nun bin ich super gespannt auf den letzten noch fehlenden Band in der Reihe.
