Colette: Claudines Elternhaus

„Claudines Elternhaus“ von Colette ist kein klassischer Roman. Eher ein Mosaik aus Erinnerungen: zart, leichtfüßig, manchmal verspielt, manchmal melancholisch. Erzählt wird von einer Kindheit auf dem französischen Land: von Katzen und Hunden, einem wilden Garten, vom Haus mit seinen vertrauten Geräuschen, Gerüchen, Eigenheiten. Und vor allem von Sidonie – der Mutter der Erzählerin. Stark, klug, eigenwillig. Eine Frau, die fast selbst zur Hauptfigur wird.

Was dieses Buch aber wirklich besonders macht, ist seine Autorin: Colette. Eine der faszinierendsten literarischen Stimmen Frankreichs. Schauspielerin, Journalistin, Skandalfigur, Literatin. In ihrer Zeit gefeiert – und dennoch lange unterschätzt. Ihre Sprache ist scharf und sinnlich zugleich, voller Beobachtungsgabe, aber auch voller Poesie. Und genau diese Mischung macht auch Claudines Elternhaus lesenswert.

Denn bei aller Idylle und charmanten Anekdoten – zwischen den Zeilen spürt man etwas Tieferes: eine Wehmut, eine Ahnung davon, dass das Glück dieser Kindheit nicht von Dauer war. Colette schreibt mit dem Wissen eines Erwachsenen, blickt aber mit den Augen eines Kindes zurück. Das ist manchmal süß, manchmal traurig – und manchmal beides zugleich.

Ein Buch, das leise daherkommt, aber viel über das Leben erzählt. Die kleinen Episoden sind oft liebevoll und mit viel Sprachgefühl geschrieben, doch blieben mir die Figuren seltsam fern. Vielleicht liegt es an der fragmentarischen Form – vielleicht auch an der idealisierten Rückschau. Es fehlt manchmal die Tiefe, die Nähe, die einen wirklich mitnimmt. Trotzdem: ein zarter Blick in eine vergangene Welt – getragen von der außergewöhnlichen Stimme Colettes.

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