Manchmal begegnet man Büchern, die so leise daherkommen, dass man sie fast übersehen könnte – und dann bleiben sie umso hartnäckiger im Kopf. Erklärt Pereira von Antonio Tabucchi ist so ein Buch. Es spielt im Jahr 1938, im faschistischen Portugal unter Salazar, und erzählt die Geschichte von Pereira, einem altmodischen, leicht resignierten Journalisten, der die Kulturseite einer unbedeutenden Zeitung betreut. Eigentlich ein Mann, der Konflikten aus dem Weg geht, sich lieber mit französischer Literatur und Zitronenlimonade beschäftigt, als sich mit der düsteren Realität seines Landes auseinanderzusetzen.
Tabucchi beschreibt ihn mit so viel Feinfühligkeit, dass man als Leser schnell eine Verbindung zu diesem etwas verlorenen Mann spürt. Aber diese Verbindung wird auf die Probe gestellt: Pereira ist ein Zauderer, ein Mann, der lange braucht, um die Zeichen der Zeit zu erkennen. Während um ihn herum die Gefahr wächst, bleibt er stur in seiner kleinen Welt – bis er durch die Begegnung mit jungen Oppositionellen in einen Strudel aus Moral und Verantwortung gezogen wird.
Was mich an diesem Buch besonders fasziniert hat, ist der schleichende Wandel, den Pereira durchläuft. Tabucchi zeichnet kein großes Drama, keine lauten Wendepunkte, sondern einen stillen, glaubwürdigen inneren Konflikt. Pereira ist niemand, den man von Anfang an bewundert. Aber gerade diese Ambivalenz macht ihn so menschlich. Manchmal möchte man ihn schütteln, ihm sagen, er solle die Augen öffnen. Und dann sieht man, wie schwer es ihm fällt, in einer Zeit des Schreckens Haltung zu bewahren.
Der Stil des Buches hat mich beeindruckt. Tabucchi schreibt klar, fast schlicht, und doch mit einer poetischen Tiefe, die zwischen den Zeilen mitschwingt. Besonders gelungen fand ich die wiederkehrende Formulierung „erklärt Pereira“. Sie gibt dem Buch eine rhythmische Struktur und erinnert daran, dass wir diese Geschichte aus der Perspektive eines Mannes lesen, der sich – vielleicht auch vor sich selbst – rechtfertigen will.
Doch bei aller literarischen Eleganz: Das Buch ist kein leichter Stoff. Es geht um Schuld, um moralisches Versagen und um den Mut, der oft viel zu spät kommt. Gerade das Ende hat mich nachdenklich zurückgelassen. Es ist kein Triumph, sondern ein stilles Eingeständnis, dass kleine Schritte manchmal alles sind, was man schaffen kann.
Erklärt Pereira ist ein leises, nachdenkliches Buch, das lange nachhallt. Es zeigt, wie schwer es ist, in dunklen Zeiten das Richtige zu tun – und wie wichtig es trotzdem ist, es zu versuchen. Ein Buch, das mich auf eine Weise berührt hat, die ich vorher nicht erwartet hätte.