Anonym: Lazarillo de Tormes

Manchmal braucht es einen kleinen Schubs – oder einen spanischen Herzmann– damit ein Buch vom Stapel ungelesener Bucher befreit wird. Lazarillo de Tormes hätte ich wahrscheinlich ewig ungelesen im Regal stehen lassen, aber mein Freund hat es mir neulich in die Hand gedrückt und gesagt: Das musst du endlich lesen. Ich will wissen, was du davon hälst. – Denn in Spanien gehört Lazarillo zur klassischen Schullektüre.

Und ich war positiv überrascht. Der kurze Schelmenroman aus dem 16. Jahrhundert war überraschend unterhaltsam: bissig, frech und erstaunlich modern in seinem Witz. Erzählt wird die Lebensgeschichte des kleinen Lazarus (Lazarillo), der sich – arm, listig und mit großem Hunger – durch eine Welt voller verlogener Autoritäten und Doppelmoral schlägt. Von einem blinden Bettler über einen scheinheiligen Priester bis zu einem hohlköpfigen Edelmann: Lazarillo wechselt seine Herren, aber nie seine Rolle als scharf beobachtender Underdog.

Natürlich ist das alles stilistisch ein Kind seiner Zeit – aber die satirische Schärfe ist bis heute spürbar. Es macht Spaß, diese frühe Form des Gesellschaftskommentars zu lesen, in der Autoritäten respektlos zerlegt und die großen Themen Armut, Hunger, Moral und soziale Ungleichheit verhandelt werden – mit Ironie und einem Augenzwinkern.

Ein kleines literarisches Abenteuer – und ein Stück europäische Literaturgeschichte, das wirklich Spaß macht. Danke fürs Auswählen, Querido.

Facebooktwitterrssinstagram

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert