„Keine Sekunde, ohne dass jemand eine Geschichte erzählt, dache Harry Johnson, während er das ländliche England durch ein Zugfenster betrachtete.“
Wir Leseratten sind ja manchmal wirklich sehr durchschaubar. Kaum steht auf einem Buchrücken: Ein Buch über Bücher. Oder eine Geschichte über das Bücherschreiben, einen (fiktiven) Literaten oder den Buchbetrieb an sich, sind wir ja schon angefixt und wollen dieses Buch dann unbedingt lesen. So ging es auch mir mit Hanif Kureishis „Das letzte Wort“. Ein alternder Schriftsteller und sein Biograph? Das hat mich unheimlich gereizt als Lesestoff:
Der Autor und sein Biograph
Wer sich ein bisschen genauer mit dem Inhalt und vor allem den Hintergründen zu dem Buch auseinandersetzt findet schnell raus, dass die Vorlage für Mamoon und Harry der Autor V.S. Naipaul und sein Biograph Patrick French sind. 2008 brachte letzterer eine Biographie über Naipaul heraus ohne dessen Zustimmung und schilderte den Autor darin als Snob, Sexist, Ehebrecher, Bordellgänger und bigotten Heuchler. Und genauso läuft es ja auch zwischen Mamoon und Harry.
Harry versucht auf Teufel komm raus, Mamoons Geheimnisse zu entdecken, gräbt immer tiefer in dessen Vergangenheit und bildet sich ein eindeutiges Urteil über den veralteten Schriftsteller, ohne dabei die parallelen zu seinem eigenen Leben zu sehen. Denn obwohl Harry Mamoon zu verachten scheint, ähneln sich die beiden unheimlich in ihrem Verhalten und in ihrer „Geschichte“ – wie es ja auch zum Schluss des Romans ganz deutlich wird, wenn der Erzählenden plötzlich selbst zum Erzählgegenstand wird.
Schreiben über das Schreiben
Und das waren die Stellen, an denen es – so wie ich es mir erhofft hatte – um Literatur ging, um das Schreiben und die Inspiration dazu. So unterhalten sich Harry und Mamoon über „den Schriftsteller“, seine Aufgabe und sein Handwerk. Darüber, dass die Rede, die gefährlichste Interaktion überhaupt ist. Dass der Schriftsteller, ja jeder Künstler, ein Teufel ist, der Gott in Sachen Kreativität nicht nur Konkurrenz macht, sondern ihn zu übertreffen versucht. Und dass Künstler auch sehr gefährlich sein können, wenn sie die Menschen mit ihrer Phantasie und Magie in Versuchung führen – fast schon wie ein Rauschmittel. Andererseits geht es aber auch um Frustration, den Kampf mit dem schriftstellerischen Material, mit dem der Künstler ringen muss, um es in die richtige Form zu bringen.
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