Babbitt Buchlingreport Lewis

Sinclair Lewis: Babbitt

Harry Sinclair Lewis war der erste amerikanische Autor, der den Literaturnobelpreis gewann. Bekannt geworden ist der Schriftsteller vor allem durch seine kritische Auseinandersetzung mit dem amerikanischen Kapitalismus zwischen den beiden Weltkriegen. Der Manesse Verlag hat diesen Klassiker im letzten Jahr nun als eines der ersten Bücher für seinen Relaunch ausgewählt. Statt der eher klassischen und einheitlichen Aufmachung der kleinen Buchbände, die zu dem klassischen Inhalt passten, erscheinen diese nun in einem neuen, sehr modernen, fast pop-art-ähnlichen Aussehen. Eine deutliche optische Verjüngungskur für die alten Klassiker, die so sicher auch mehr jüngere Leser ansprechen sollen und in der Buchhandlung des Vertrauens auch eher ins Auge stechen. Ganz passend zur Geschichte von Lewis‘ Anti-Helden Babbitt kommt das Cover in diesem Fall ganz amerikanisch daher.  Ob das Cover nun wirklich den gewünschten Effekt erzielt, weiß ich nicht. Aber es ist auf jeden Fall ein mutiger Versuch, die als „verstaubt“ verschrienen Klassiker wieder aus der dunklen Ecke herauszuholen.

Aber warum geht es nun eigentlich in dem Roman? Babbitt spielt zu Beginn der 1920iger Jahre in der fiktionalen US-Stadt Zenith. Dort lebt der titelgebende Protagonist George F. Babbitt. Er ist Mittvierziger, Immobilienmakler mit seiner Frau und drei Kindern. Und eigentlich gibt es nichts spannendes über ihn zu erzählen. Er lebt das große Mittelmaß! Hier wird der langweilige Alltag dieses Alpha-Männchen und Stereotypen haarklein bis ins Detail geschildert. Dabei fällt schnell auf, dass hinter der Wohlstandsfassade dieses „Helden“ nicht viel zu finden ist. Babbitt ist ein kleines Fähnchen im Wind, dass seine Meinung so schnell wechselt, wie seine Unterhosen. Je nachdem, in welcher Begleitung er ist, passt er sich den Gepflogenheiten an, nimmt den Sprachduktus seiner Freunde, Kollegen oder Familie an. Sein vorgetäuschtes Wissen stammt aus Zeitungsartikeln und aus Werbeslogans! Alles ist auf die perfekte Außendarstellung abgerichtet. Denn man muss nach außen das Bild der gutsituierten Wohlstandsfamilie aufrecht halten.

Als Leser sind wir hier lange Zeit Beobachter von zahlreichen Banalitäten, Alltagsärgernissen und Ritualen. Wir lernen diesen George F. Babbitt in all seinen spleenigen Facetten kennen, verfolgen ihn in all den großen und kleinen Situationen, in denen er sich selbst vor seinen Mitmenschen präsentiert, immer darauf bedacht, zu zeigen, wie weit überlegen er den anderen eigentlich ist. Bis Babbitts ach so perfektes Mittelstandsleben durch einen plötzlichen Vorfall (den ich hier aus Spoiler-Gründen nicht nennen will), völlig aus den Fugen gerät. Und so stolpert dieser Anti-Held in eine Sinnkrise oder Midlife Crisis, die sich gewaschen hat.

Ich muss zugeben, dass ich echt etwas meine Schwierigkeiten mit Babbitt hatte. Diese detaillierten Beschreibungen von Babbitts monotonen Alltag hatten doch etliche Längen, an denen ich sehr knabbern musste. Später – bei dem „plötzlichen Vorfall“ der Babbitts Lebens so aus den Fugen geraten lässt – wird es dann wieder etwas spannender. Aber auch dieses aufgeblasene Gerede, da ja durchaus vom Autor gewollt war, ging mir beim Lesen sehr auf die Nerven.

Babbitt vs. Der Untertan

Mich erinnerte die Geschichte an vielen Stellen sehr an Der Untertan von Heinrich Mann. Da geht es ja ebenfalls um den Emporkömmling Diederich Heßling, der eigentlich auch die ganze Erzählung über nur unsinniges Gerede von sich gibt und ein typischer „Fahrradfahrertyp“ ist: Ganz nach dem Motto „Nach unten treten, nach oben buckeln“, um die soziale Stellung zu halten. Und mit Heßling verband mich beim Lesen damals auch eine große Haß-Liebe – da das Buch in seiner Saitre natürlich genial war, aber ich diese Figur einfach nicht leiden konnte! Ähnlich ging es mir mit Babbitt. Ich fand ihn einfach furchtbar unsympathisch und macho-mäßig. Ein Angeber, ein Möchtegern und Blender! Der Deutschlandfunk hat das in seiner Kritik auch ganz treffend verpackt:

Die Komik des Romans ist vor allem im ersten Teil ein Produkt der Gnadenlosigkeit, mit der Babbitt seinen Erfolg vorzeigt. Und wenn er betont, dass es wichtig wäre, dass endlich einmal ein Geschäftsmann an der Spitze des Landes stünde, sind die Bezugslinien zur Gegenwart unübersehbar. Den Satz „Make America great“ würde Babbitt sofort unterschreiben. Dazu passt, dass Babbitt zwar ein Mensch mit klaren moralischen Grundsätzen ist, dass er aber durchaus bereit dazu ist, in Bezug auf sich selbst diese Grundsätze nicht allzu streng auszulegen

Erst spät im Laufe der Handlung fing ich an, etwas Mitleid für diesen Mann zu empfinden. Aber so richtig konnte mich das über die erste dröge Hälfte des Romans nicht hinwegtrösten. Zum Abschluss aber noch ein witziger Fakt am Rande: Lewis hat mit dem Namen Babbitt einen neuen Begriff kreiert, der es sogar ins Wörterbuch geschafft hat. Auch heute noch werden diese Art von Spießbürgern in den USA als  Babbitt bezeichnet.

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