Juhu, die Adventszeit hat begonnen, die erste Kerze konnte schon angezündet werden und heute können wir auch schon das erste Türchen am Adventskalender öffnen. Pünktlich zum 1. Dezember präsentieren wir natürlich auch wieder unseren Lesetipp des Monats. Dieses Mal mit Philip Roth‘ Roman Der menschliche Makel.
Eckdaten zum Autor:
Auch sein dritter Roman Portnoy’s Complaint wurde zum Skandal, aber die obszönen Monologe und die Verbindung von Sexualität und Schuldgefühlen machten Roth mit einem Paukenschlag weltbekannt. 1956 lernte Roth seine erste Ehefrau Margaret Martinson Williams kennen, die er 1959 heiratet. Schnell kamen aber Probleme in der Ehe auf, die Roth in seinen Romanen verarbeitete und Margaret mutierte in der Rolle der „Josie Jensen“ (Die Tatsachen) sogar zum Gegenselbst des Autors. 1963 ließ sich das Paar scheiden. Auch Kafkaeske Züge lassen sich in Philip Roth Werk finden. So verwandelt sich in der Erzählung The Breast ein Literaturprofessor in eine weibliche Brust. Roth reiste auch oft nach Prag, um Nachforschungen über Kafka anzustellen. Außerdem hatte er dort Kontakt mit Schriftstellern wir Ivan Klima, Milan Kundera und Ludvik Vaculik. Als ihm 1977 das Visum verweigert wurde, gab er bei Penguin Books die Reihe Writer from the Other Europe heraus. 2012 gab Philip Roth bekannt, dass er keine Bücher mehr schreiben werde. Er möchte nur noch seine Lieblingsautoren lesen.
Wichtigste / Bekannteste Werke:
- Goodbye Columbus, 1958
- Portnoys Beschwerden,1969
- Der menschliche Makel, 2000
- Verschwörung gegen Amerika,2004
Inhalt:
Der Ich-Erzähler von Der menschliche Makel, Nathan Zuckerman, ist Schriftsteller und zieht sich nach einer Erkrankung in ein kleines Städtchen zurück. Dort lernt er den ehemaligen Literatur-Professor Coleman Silk kennen. Silk musste seine Uni-Karriere unverhofft beenden, als ihm in einem seiner Seminare eine folgenschwere Äußerung herausrutscht. Zwei Kursteilnehmer fehlen regelmäßig und so fragt der Professor ironisch, ob diese „dunklen Gestalten das Seminarlicht scheuen“. Was Silk nicht weiß: die beiden Studentinnen sind schwarz – und prompt hat er einen Rassismusskandal am Hals. Es entbricht ein Machtkampf zwischen dem Professor und der Unileitung, der darin endet, dass Silks Ehefrau stirbt – laut Colemans Aussage, durch den Stress, dem sie wegen des Skandals ausgesetzt wurde. Nun möchte Silk, dass Zuckerman seine Geschichte in ein Buch verwandelt.
Die beiden Männer freunden sich an, aber Zuckerman lehnt den Auftrag ab. Also verfasst Silk selbst ein Buch. Doch als es endlich fertig ist, hat er kein Interesse mehr an einer Veröffentlichung. Stattdessen konzentriert er sich vielmehr auf seine Affäre mit der 34-jährigen Faunia Farley, einer Putzfrau an seinem Collage. Auch Faunia hat ein schweres Schicksal hinter sich, dass ich aber nicht zu sehr vorwegnehmen will… Auf jeden Fall scheint durch diese Affäre der nächste Skandal perfekt zu sein. Denn für viele sieht es so aus, als ob der 71-jährige Coleman Silk Faunia unterdrücken und ausnutzen würde. Wieder einmal kommt die Attacke aus dem College – von Silks junger Gegenspielerin, der Literaturprofessorin Delphine Roux. Und das Drama nimmt erneut seinen Lauf, dieses Mal mit noch schlimmeren Konsequenzen für alle Beteiligten!
Unsere Meinung:
Ich habe Philip Roth‘ Roman vor einigen Monaten gelesen und die Erinnerung ist vielleicht nicht mehr ganz so frisch, wie direkt nach der Lektüre. Aber ich weiß, dass mich der Grundgedanke dieser Geschichte nach dem Lesen noch viel beschäftigt hat. Zwar fand ich den Stil manchmal etwas zu sprunghaft und an anderen Stellen dann wieder etwas langatmig – aber so etwas ist ja immer total subjektiv. Vielmehr hat mich jedoch das Thema beschäftigt, um das es hier eigentlich geht: Um den Menschen und wie er mit seinen Mitmenschen umgeht, sich vor ihnen präsentiert bzw. verleugnet aber auch, wie wir andere verleugnen, um besser dazustehen. Alle Charaktere prägen sich durch ihr Verhalten gegenseitig, schieben Schuld von sich bzw. auf andere und zerstören dadurch nicht nur sich selbst, sondern vor allem auch ihre „Opfer“. Ich möchte inhaltlich gar nicht allzu viel vorwegnehmen. Aber – und das erfährt man eigentlich relativ schnell beim Lesen – ein schönes Beispiel ist natürlich Coleman Silk. Denn der angeblich rassistische Professor ist in Wirklichkeit selbst „schwarz“ – allerdings besonders hellhäutig. Bei einer günstigen Gelegenheit hat er seine Herkunft verleugnet, seine Familie aus seinem Leben gestrichen und sich von da ab als Weißer ausgegeben – nun holt ihn das Schicksal aber wieder ein…
Der menschliche Makel, der dem Buch seinen Namen gibt, wird als jene Prägung verstanden, die jeder davon trägt, wenn er Umgang mit Menschen hat. Hier ist es Faunia, die die maßgebende Aussage trifft, während sie einen zahmen Raben streichelt: „Die Berührung durch uns Menschen hinterlässt einen Makel, ein Zeichen, einen Abdruck. Unreinheit, Grausamkeit, Missbrauch, Irrtum, Ausscheidung, Samen – der Makel ist untrennbar mit dem Dasein verbunden.“ In gewisser weise tragen wir also alle diesen Makel, sind Befleckt durch den Umgang mit unseren Mitmenschen und werden durch sie maßgeblich beeinträchtigt und beeinflusst. Und das ist es eben, was mich auch nach der Lektüre so sehr beschäftigt hat. Denn ich frage mich, warum müssen wir uns eigentlich verleugnen vor anderen? Woher kommt dieser Zwang? Warum kann man mit seinem eigenen Makel nicht Leben? Und holt uns das Schicksal nicht sowieso alle früher oder später ein, egal, wie lange wir versuchen es zu umgehen? – Ihr seht, es steckt also eine ganze Menge mehr hinter dieser so einfach scheinenden Grundgeschichte.
Übrigens gibt es auch eine Verfilmung von Philip Roth‘ Buch, in den Hauptrollen sind u.a. Anthony Hopkins und Nicole Kidman zu sehen. Ich kenne den Film leider nicht und kann ihn deshalb nicht beurteilen. Aber vielleicht hat ihn ja der eine oder andere von euch schon gesehen? Ist er gut? Könnt ihr ihn empfehlen?
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