Lieber Mr. Salinger

Joanna Rakoff: Lieber Mr. Salinger

Die amerikanische Journalistin und Autorin erzählt in diesem Roman von ihrem Jahr in einer New Yorker Literaturagentur. Mit Anfang Zwanzig kommt sie kehrt von ihrem Studium aus London zurück und braucht dringend einen Job. Da sie den Traum hat, Schriftstellerin zu werden, ist eine Stelle in einer Literaturagentur genau das Richtige für Joanna. Sie hat Glück und wird die Assistentin der Agentin die J.D. Salinger betreut.

Schon mal vom Fänger im Roggen gehört?

Joanna kommt in die Agentur und bestaunt erfürchtig die vielen Wände voller Bücher. Womit sie allerdings weniger anfangen kann, ist der Hype um J.D. Salinger. Ihre Chefin instruiert sie aufs Genauste, dass sie niemals seine Adresse oder Telefonnummer herausgeben darf und auch niemals Post an ihn weiterleiten darf. Den vielen Fanbriefen, die täglich eintrudeln, muss sie allen eine Absage schicken. Anfangs versteht sie den Wirbel, der um Salinger gemacht wird, nicht. Doch dann liest sie die Fanbriefe und sieht, wie die Menschen dort ihre Gefühle und Schicksale mitteilen und sich mit den Figuren in seinen Büchern identifizieren. Das berührt sie so sehr, dass sie anfängt, einigen Menschen persönlich zu antworten.

Joanna geht es so wie mir, sie hat nie ein Buch von Salinger gelesen, ist aber von dem Hype irgendwann so fasziniert, dass sie an einem Wochenende alle Werke von ihm durchliest. Bei einigen muss sie sogar weinen. Das habe ich nun noch vor mir. Denn man kann “Lieber Mr. Salinger” nicht lesen, ohne davor oder spätestens danach wenigstens den “Fänger im Roggen” zu lesen.

Umbruch in ein neues Zeitalter

Das Witzige an der Agentur ist, dass dort in den 90er Jahren noch Arbeitsabläufe herrschen wie aus den 50er Jahren. Joanna muss Briefe auf der Schreibmaschine tippen, deren Text ihre Chefin zuvor auf ein Tonband gesprochen hat. Sämtliche Vorgänge werden auf Dateikarten dokumentiert. Nach einem langen Kampf wird dann irgendann ein Computer für das gesamte Büro angeschafft. Es ist das typische Image einer verstaubten Agentur, die den Aufbruch in ein neues Zeitalter mit Internet, E-Mails und Computern scheut.

Nicht nur der Aufbruch in das digitale Zeitalter schwebt über der Agenturarbeit, sondern auch Joanna steht an der Schwelle zwischen Jugend und Erwachsen werden. In dem einen Jahr, wo sie dort arbeitet, macht sie einen Reifeprozess durch, der sie selbstbewusster und stärker macht. Und damit ist der Roman nicht nur ein Spiegel für J.D. Salinger und seine Werke, sondern auch eine wunderbare Geschichte über eine junge Frau, die ihren Weg sucht und findet. Geschrieben ist das Ganze so leicht und kurzweilig, dass es sich sehr flüssig und rasch durchlesen lässt. Ein wirklich schönes Buch für literaturinteressierte Bücherwürmer.

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