Hazem Ilmi: Die 33. Hochzeit der Donia Nour

Dieses Buch ist gefährlich! Und zwar nicht nur für seine Protagonistin, deren Welt komplett zusammenbricht. Sondern auch für den Autor, der – nicht ohne Grund – diese Geschichte nur unter einem Pseudonym, Hazem Ilmi, veröffentlicht hat. Und selbst der Leser, vor allem jeder religiöse Leser – sei er Moslem, Christ oder Buddhist – wird nach dem Lesen ordentlich schlucken müssen. Denn die Geschichte, die Hazem Ilmi schildert ist harter Tobak, schwer religionskritisch und in seiner Kernaussage leider gar nicht so weit weg, wie es uns das dystopische Setting wünschen lässt.

„Am Glauben ist absolut nichts Natürliches. Wenn der Glaube an Gott etwas Natürliches wäre, warum verwenden dann gewisse Einrichtungen so viel Zeit darauf, ihn den Kindern – und den Erwachsenen – einzutrichtern?“

Wir schreiben das Jahr 2048. In Ägypten herrscht eine islamische Diktatur, das Gesetz ist die Neo-Scharia und das Land ist komplett vom ungläubigen Rest der Welt abgeschottet. Das Shariatainment sorgt dafür, dass die Bevölkerung mit Konsumgütern ruhig gestellt wird: Der neuste Schrei sind gebetsfördernde Kopftücher, auf denen wechselnde Werbung aufblinkt, Staubsauger, die Koranverse zitieren, oder Pantoffeln, die bei jedem Schritt „Allah, Allah“ rufen. Kameras sind überall, es wird gezählt, wie oft jeder Einwohner betet, denn mit beten kann man Punkte sammeln. Und selbst in den Träumen implementiert das Shariatainment Werbung. In dieser Welt lebt die junge Donia Nour. Als Angestellte im Ministerium für Erlösungshilfe muss sie jeden Tag die Anzahl der Gebete ihrer Mitbürger zählen und als Punkte verbuchen. Auf der Arbeit wird sie von ihren männliche Kollegen begafft, zu hause von ihrem an Alzheimer erkrankten Vater tyrannisiert und rundum die Uhr vom Staat überwacht. Kein Wunder, dass Donia fliehen will!

Illegal hat sie herausgefunden, dass es Boote gibt, die einen über das Mittelmeer bringen. Ein Kilo Gold wird dafür verlangt. Und der einzige Weg für Donia zu Geld zu kommen, ist über eine Mitgift. Also heiratet Donia – immer nur für eine Nacht, die Scheidung findet am nächsten Morgen statt und dann sieht Donia zu, dass sie ihre „Jungfräulichkeit“ wieder herstellen lässt. Eine einzige Eheschließung fehlt Donia noch, dann hat sie das Kilo Gold endlich beisammen. Doch bei dieser Hochzeit geht einfach alles schief.

Helfen kann Donia jetzt nur noch Ostaz Mukhtar. Der Philosophie-Professor wurde 1952 von Außerirdischen entführt. Zu seinem Glück, muss man dazu sagen. Denn Osatz hatte schon damals Ärger mit dem Staat aufgrund seiner religionskritischen Ansichten. Nun beamen die Aliens Ostaz genau dann zurück nach Kairo, als Donia seine Hilfe braucht. Denn in dem jungen Mädchen schlummert der Beginn einer großen Revolution im Land.

Nach dieser kurzen Zusammenfassung der Handlung wird, denke ich, ziemlich schnell klar, was für gefährliche Äußerungen in dem Buch stecken. Gerade in einer Welt, in der Autoren wie Salman Rushdie oder Nagib Machfus um ihr Leben fürchten müssen, wegen ihrer islamkritischen Bücher, ist es fast schon eine Mutprobe solche im Buch zu veröffentlichen. Kein Wunder also, dass der Mann hinter dem Pseudonym Hazem Ilmi sein Gesucht nicht in der Öffentlichkeit zeigen will. Dabei greift Ilmi mit seinem Roman nicht nur den Islam an, vielmehr richtet sich seine Kritik an alle Religionen:

„Religion ist das, was die Armen davor abhält, die Reichen zu töten.“

Dabei erinnert seine dunkle Zukunftsphantasie sehr an andere dystopische Romane, allen voran natürlich Orwells 1984, dass sogar direkt erwähnt wird:

Nur ein paar Tage vor meiner Entführung habe ich ein Buch gelesen“, sagte er. „Es war ein englischer Roman, er hieß 1984. Es gab darin eine etwas paradoxe Stelle, über die du meines Erachtens nachdenken solltest: ‚Solange ihr Bewusstsein nicht erwacht, werden sie niemals rebellieren, und solange sie nicht rebelliert haben, wird ihr Bewusstsein nicht erwachen können.'“

Bisher waren Dystopien eher westlich geprägt. Ich persönlich kenne bisher keine, die aus anderer Sicht geschrieben ist. Somit ist Donias Geschichte definitiv ein Novum. Dabei ist Ilmis Stil brutal direkt, sarkastisch, manchmal vulgär und rundum schonungslos. Mich persönlich hat dabei etwas die unaufgelöste Funktion der Aliens gestört. So recht wollten sie für mich nicht ins Bild passen. Ostaz, der mich schon fast etwas an einen clownesken Deus ex machina erinnerte, hat sich für mich noch gut in die Geschichte eingefügt. Die Außerirdischen wirkten auf mich dagegen etwas fehl am Platz… Trotzdem hat der Roman einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen und man sollte sich definitiv nicht von seinem blumigen Äußeren täuschen lassen. Hinter diesen hübschen Buchdeckeln steckt Dynamit.

 

Vielen Dank an den Aufbau Verlag für das Rezensionsexemplar!

Facebooktwitterrssinstagram

Ein Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert