Nach ich vor Kurzem Die Hälfte der Sonne von Chimamanda Ngozi Adichie gelesen habe und total begeistert war, habe ich mir nun Adichies Debütroman Blauer Hibiskus ausgesucht. Und auch hier hat mich Adichie nicht enttäuscht. Wieder schildert die nigerianische Autorin eine bedrückend-schöne Geschichte aus Afrika, die so gar nichts mit den üblichen „Kitsch-Romanen“ rund um Safaris, Elefanten und rote Abendsonnen über der Steppe zu tun hat.
Als Erzähler hat sich Chimamanda Ngozi Adichie die 15-jährigen Kambili ausgedacht. Von außen betrachtet scheint sie ein perfektes Leben zu führen: Ihre Eltern sind reich, die Familie wohnt in einem großen Haus mit Dienstboten, der Vater ist Fabrikbesitzer und Herausgeber einer Zeitung, unheimlich gläubig und gilt in der Gemeinde als christliches Vorbild und Kambili und ihr Bruder Jaja bringen nur die besten Noten nach hause.
Zwischen religiösem Wahn und Ahnenkultur
Doch hinter der Fassade verbirgt sich ein heimisches Terrorregime des Vaters, der so in seinen Glauben vernarrt ist, dass er nicht davor zurückschreckt seine Familie zu bestrafen, weil er sie angeblich vor Sünden und der Hölle retten will. Mutter und Kinder leben in permanenter Angst vor dem Patriarchen, der auch nicht vor körperlicher Gewalt zurückschreckt, seine Kinder auch schon mal mit heißem Wasser übergießt und seine schwangere Frau verprügelt. Selbst der ganze Tagesablauf steht unter den strickten Vorgaben des Vaters. Die Kinder bekommen Zeitpläne, nach denen sie sich zu richten haben: Wann ist Hausaufgabenzeit? Wann ist Schlafenszeit? Wann ist Familienzeit? Dadurch ist die Familie völlig von ihrer Umgebung abgegrenzt, sodass die Kinder keine Freunde haben.
Selbst die eigene Familie verstößt der strenge Vater. Zum Großvater haben die Kinder keinen Kontakt, weil er – laut Vater – ein Heide ist, noch an die alten Götter und Traditionen glaubt und sich nicht bekehren lassen will. Nur um sein Ansehen aufrecht zu erhalten darf der Großvater Kambili und Jaja einmal im Jahr sehen: an Weihnachten für ganze 15 Minuten.
Das ganze ändert sich, als die Geschwister für ein paar Tage zu ihrer Tante zu Besuch dürfen – natürlich nur, um mit dieser gemeinsam zu einer heiligen Stätte zu pilgern. Die Tante, eine verwitwete Unidozentin, lebt mit ihren drei Kindern in einem einfachen Haus, muss aufs Geld achten, morgens das Wasser am Brunnen holen und die Kinder helfen im Haushalt kräftig mit. Eine völlig neue Welt eröffnet sich so für Kambili und Jaja. Und so beginnt ein langsamer Kampf, raus aus dem Gefängnis, das der Vater geschaffen hat.
Wunderschönes Romandebüt
Blauer Hibiskus war, nach einigen Kurzgeschichten, Adichies erster Roman – und was für ein schönes Debüt ihr damit gelungen ist. Natürlich ist die Geschichte – wie auch Die Hälfte der Sonne – traurig und bedrückend. Aber dabei gleichzeitig so einfühlsam und sensibel geschrieben, das es mich total verzaubert hat. Wir erleben die Welt aus Kambilis Sicht und erleben mit ihr den Zusammenfall der Welt, wie sie sie bisher kannte, lernen mit ihr bei der Tante kochen, finden neue Freunde und verlieben uns in den Dorfpfarrer, der in ihr ein ganz besonderes Mädchen sieht. Durch ihre entrückte Erziehung wirkt das ganze Anfangs noch recht unemotional und nüchtern und später dann unheimlich bedrückend und traurig. Adichie zeigt uns ein anderes Afrika, als das typische Klischee eines von Kriegen und Hunger zerrissenen Kontinents. Es sind vielmehr die Einzelschicksale die sie gekonnt beleuchtet, ohne dabei den landestypischen Kontext zu vergessen. Für mich waren die beiden ersten Romane, die ich von dieser tollen Autorin gelesen habe, eine wunderbare Entdeckung! Und ich möchte auf jeden Fall mehr!